salzburger nachrichten

16. August 2001

 

Kaprun: Opferanwälte lassen nicht locker

Alte Vorwürfe gegen Firmen und Gericht neu aufgewärmt.

SALZBURG (SN, APA). Das Landesgericht Salzburg hat, wie berichtet, die Exhumierung von Leichenteilen von Opfern des Seilbahnunglücks von Kaprun am Kommunalfriedhof Salzburg abgelehnt. Weder für die Suche nach der Unglücksursache noch für die Identifizierung der 155 Opfer vom 11. November vergangenen Jahres sei eine Exhumierung von Bedeutung, hieß es in der Begründung.

Jetzt wollen Anwälte einen neuerlichen Anlauf unternehmen und einen Antrag bei der Bezirksverwaltungsbehörde auf "Enterdigung" stellen. Das kündigte der Salzburger Advokat Jürgen Hinterwirth (Kompagnon von Ed Fagan und Michael Witti, Anm.) am Donnerstag in einem Pressegespräch an.

Die Leichenteile waren im März in einem Kindersarg in einem Sozialgrab auf dem Salzburger Stadtfriedhof bestattet worden. Das Team um Fagan - es vertritt mittlerweile laut Hinterwirth rund 90 Angehörige von Opfern der Katastrophe - wirft den österreichischen Behörden vor, den Angehörigen der Opfer die Toten nicht vollständig übergeben zu haben.

Die Ablehnung des Gerichts "war aus formalen Gründen begründet", doch es gebe gesetzliche Bestimmung, wonach Leichenteile nicht ohne Einverständnis der Angehörigen beigesetzt werden dürfen, betonte Hinterwirth. Viele der Angehörigen wollten diese anonyme Beisetzung nicht. Sollte es zu einer Exhumierung kommen, dann müssten die Kosten dafür die Angehörigen tragen.

Alles geschehe nicht aus Effekthascherei, betonte Hinterwirth. Es sollen die Fehler des Gerichts in Salzburg aufgezeigt werden, damit man sich "bei den zivilrechtlichen Klagen vorm Gericht in den USA leichter tut", sagte der Rechtsanwalt, der neuerlich die schon mehrmals erhobenen Vorwürfe vorbrachte.

Die involvierten Firmen hätten auch "grob fahrlässig gehandelt" - das lasse sich aus Aussagen von Mitarbeitern zurückführen. Die Anwälte wollen 23 Firmen auf hunderte Millionen Dollar Schadenersatz klagen.

Walter Grafinger, Präsident des Salzburger Landesgerichts, zeigt sich von den Attacken wenig beeindruckt: "Nach dem, was ich Medienmeldungen entnommen habe, bin ich überrascht, dass angeblich Klagen auf technische Mängel gestützt werden. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht haben bisher Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen über den Zustand der Bahn und den Unfallablauf." salzburg.orf.at

16. August 2001

 

Neue Dimension
Mit dem Hinweis auf angebliche Schlampereien beim Salzburger Landesgericht
versuchen Ed Fagan, Michael Witti und der Salzburger Anwalt Jürgen Hinterwirth,
die Kaprun-Katastrophe in eine neue Dimension zu ziehen.

Mitarbeiter von Firmen melden sich
Auch wenn nur die Hälfte der Hinweise, die sich in ihren Dokumenten finden und die technische Mängel aufzeigen sollen, stimmen würden, stünden die Chancen auf mehrere hunderte Millionen Dollar Schadenersatz mehr als gut, gibt sich Jürgen Hinterwirth zuversichtlich.

Er berichtet davon, dass Mitarbeiter von in die Katastrophe involvierten Firmen mit ihm Kontakt aufgenommen hätten: "Ich zitiere aus einem Schreiben an mich: 'Sie müssen wissen, der Zug der Gletscherbahnen war bis zum Jahr 1994/1995 aus Eisen und Stahl, dann wollte man trotz Warnungen des zuständigen Maschinenbauingenieurs eine schicke Garnitur aus Plastik, also brennbarem Material haben".

Grafinger: "Bin überrascht"
Schlampig gearbeitet hätte auch das Salzburger Landesgericht, denn die anonyme Bestattung von Leichtenteilen in einem Gemeinschaftsgrab hätte nach dem Leichenbestattungsgesetz nicht durchgeführt werden dürfen, kritisiert der Salzburger Anwalt Jürgen Hinterwirth.

Walter Grafinger, Präsident des Salzburger Landesgerichts, zeigt sich davon wenig beeindruckt: "Nachdem was ich aus Rundfunkmeldungen gehört habe, bin ich überrascht, dass angeblich Klagen auf technische Mängel gestützt werden. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht haben bislang Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen über den Zustand der Bahn und den Unfallablauf".

Nächste Woche treffen einander die drei Anwälte in Wels und wollen auch Hintergründe zu den 23 beklagten Firmen veröffentlichen.

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