Krone
22. 2. 2002
Kapruner Todesbahn hätte gar nicht fahren dürfen |
Denn im Baubescheid für den Um- und Erweiterungsbau des Alpincenters Kaprun steht klipp und klar: "Die Benützung des Baues
oder einzelner Teile darf erst aufgenommen werden, wenn die Bauvollendungsanzeige vollständig erfolgt ist." Diese wurde vom Baumeister zwar am 29. Oktober erstellt, aber erst am 22. November 2000 eingereicht - also, welch Hohn, elf Tage nach dem Unglück!
Doch damit nicht genug: Weder waren die automatischen Brandmelder montiert noch die Brandschutztür mit einer Steuerung ausgestattet, die eine Brandschutzfunktion garantierte, so Staatsanwältin Dr. Eva Danninger-Soriat in ihrem 1 19-seitigen Strafantrag.
Nur so konnte es passieren, dass dichter Rauch ins Alpincenter eindrang und dort drei Menschen das Leben kostete: Mitarbeiter der Gletscherbahn hatten die Tür auf der Flucht aufgedrückt, geschlossen hat sie sich hinter ihnen nicht. Dr. Friedrich Ginthör, Leiter der Salzburger Staatsanwaltschaft: "Eine Brandschutztür, die ihren Namen nicht verdient."
Die Anklägerin hat noch eine ganze Reihe weiterer tödlicher Fehler aufgelistet:
"Ein Inferno aus bloßer Raffgier'
Der Salzburger Rechtsanwalt Dr. Jürgen Hinterwirth, der 112 Angehörige von Opfern der Kaprun-Katastrophe vertritt, zur "Krone": "Die Beschuldigten haben gröbste Fahrlässigkeiten zu vertreten, durch die es, wie ich glaube, erst zu diesem Inferno kommen konnte. Aus rein wirtschaftlichen, raffgierigen Überlegungen hat man bewusst schwerste Sicherheitsmängel in Kauf genommen!"
Eine Ansicht, die Vertreter der Gletscherbahn, des Verkehrsministeriums, der Zulieferfirmen und mehrere Monteure (filr sie alle gilt die Unschuldsvermutung) nicht teilen. Sie bekennen sich nicht schuldig, schieben die Verantwortung ab.
Der "Krone" liegen jetzt Protokolle eines Prozesses vor, den die Firma Swoboda (sie lieferte 1994 die Aufbauten für die neue Gletscherbahn) gegen eine Zulieferfirma beim Landesgericht Wels führte - sechs
Jahre lang, bis kurz vor der Katastrophe. Aus ihnen geht hervor: Die Behörden wurden hinters Licht geführt!
Kurz nach Inbetriebnahme der neuen Bahn waren im September 1994 Schäden an den Aluminiumplatten der Dach- und Seitenverkleidungen aufgetreten - wie auch bei der bauartgleichen Seilbahn in Hallstatt. Swoboda-Geschäftsführer Robert V. bei einer Gerichtsverhandlung am 8. Juli 1998 mit der unglaublichen Äußerung: "Um einen zweckmäßigen Ablauf der Sanierung durchzuführen, musste der Kunde"- also die Gletscherbahn Kaprun - "überzeugt werden, dass
keine Meldung an die Behörden gemacht wird, weil ansonsten die Gefahr bestanden hätte,dass die Bahn geschlossen und dann ein noch größerer Schaden entstanden wäre." Die Teil-Reparaturen wurden nachts durchgeführt, um finanzielle Einbußen durch einen Stillstand der Bahn zu vermeiden. OpferAnwalt Hinterwirth: "Man ist offenbar in Kenntnis des mangelhaften Materials weitergefahren..."VON MANFRED HEININGER
salzburg.orf.at
22. November 2002
Anklage: "Gletscherbahn hätte nicht fahren dürfen"
Das Unglück von Kaprun mit 155 Toten wäre zu verhindern gewesen, wenn amtliche Bescheide zum Einbau von Brandschutztüren eingehalten worden wären. Das ist zentraler Punkt der Anklage, die seit kurzem vorliegt. Die Gletscherbahnen weisen alle Vorwürfe zurück.
Argumente des Anklägers
Der Mechanismus sei durch den beauftragten Zivilingenieur nur unzureichend geprüft worden. Außerdem sei ihm das Fehlen vorgeschriebener Brandmelder nicht aufgefallen.
Den Gletscherbahnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, sie hätten die Bahn in Betrieb genommen, obwohl sie wussten, dass die Vollendungsanzeige des beauftragten Baumeisters inhaltlich unrichtig sei. Der Baumeister hätte auch verhindern müssen, dass die Bahn in Betrieb geht.
Gletscherbahn weist Vorwürfe zurück
In einer ersten Reaktion weisen Vertreter der Kapruner Gletscherbahnen alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück. Die Gletscherbahn sei völlig legal und in Übereinstimmung mit allen rechtlichen Vorgaben betrieben worden.
Kurier Kaprun-Bahn: Schwere Vorwürfe in Anklageschrift Salzburg - Die Seilbahn von Kaprun hätte am Tag der Katastrophe, bei der 155 Menschen ums Leben kamen, nicht in Betrieb sein dürfen. Im Baubescheid für den Um- und Erweiterungsbau des Alpincenters Kaprun stehe: "Die Benützung des Baues oder einzelner Teile darf erst aufgenommen werden, wenn die Bauvollendungsanzeige vollständig erfolgt ist." Diese sei erst elf Tage nach dem Unglück eingereicht worden. |
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Kein Zusammenhang
Salzburger Nachrichten
22. Feber 2002
Kapruner Prozesstermin völlig offen
Der Beginn des Prozesses über die Seilbahnkatastrophe von Kaprun sei noch völlig offen. Das stellten am Freitag der Präsident des Salzburger Landesgerichtes, Walter Grafinger, und der Leiter der Staatsanwaltschaft Salzburg, Friedrich Ginthör, auf Anfrage der APA klar.
Derzeit liege der Akt bei der Untersuchungsrichterin. Das große Fragezeichen seien mehrere Beschlüsse über Gebührenbestimmungen, die noch nicht rechtskräftig sind. Es gehe beispielsweise um die Kosten für die Bergung des Wracks oder um Kosten für Sachverständige.
Ginthör erläuterte, weshalb die Staatsanwaltschaft im Strafantrag den Schluss zog, dass die Seilbahn auf das Kitzsteinhorn am Unglückstag gar nicht hätte fahren dürfen. Konkret geht es um den Bescheid der Baubehörde - des Kapruner Bürgermeisters - für den Umbau des Alpincenters. "Die Benützung des Baues oder einzelner Teile darf erst aufgenommen werden, wenn die Bauvollendungsanzeige vollständig erfolgt ist", heißt es darin im Punkt 19. Die Anzeige wurde zwar am 29. Oktober 2000 vom verantwortlichen Baumeister erstellt, bei der Gemeinde wurde sie aber erst elf Tage nach der Katastrophe abgeliefert. Außerdem fehlten Beilagen.
Die Schlussfolgerung von Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat: Dem Betriebsleiter und dem Technischen Direktor der Bahn sei vorzuwerfen, "dass sie wussten, dass die Vollendungsanzeige inhaltlich unrichtig und Pkt. 19 des Baubewilligungsbescheides der Gemeinde Kaprun nicht erfüllt ist. Bei Einhaltung der Bescheidauflagen hätte das Unglück also verhindert werden können."