Urteil im Strafprozess nicht Endpunkt

12. Februar 2004 | 10:00

Der "Fall Kaprun" wird noch lange die Zivilgerichte beschäftigen - Anonymes Schreiben

SALZBURG (SN-res).

Auch wenn am 19. Februar der Salzburger Einzelrichter Manfred Seiss das Urteil im Strafprozess gegen 16 Beschuldigte im Zusammenhang mit der Gletscherbahn-Katastrophe von Kaprun sprechen will, wird der Fall damit längst nicht beendet sein. Auf strafrechtlicher Ebene ist für Insider nicht gut vorstellbar, dass - egal, wie das Verfahren ausgeht - das Berufungsgericht nicht befasst wird: Dies wäre das Oberlandesgericht Linz als "letzte Instanz". Auf zivilrechtlicher Ebene aber wird die Tragödie mit 155 Toten noch lange die Gerichte beschäftigen - national und international.

Im Strafakt findet sich, so Privatbeteiligten-Vertreter RA Jürgen Hinterwirth (Salzburg), seit Mittwoch auch ein seltsamer anonymer Brief. Darin teilen der oder die Schreiber, die sich als "zwei dumme Buben" bezeichnen, mit, sie seien die "Attentäter" von Kaprun: Sie hätten im Talwagen der Seilbahn einen Brand gelegt, um der Gletscherbahnen AG (GBK) "wegen der hohen Preise eins auszuwischen", dabei aber nicht im Geringsten "an die furchtbaren Folgen" gedacht. Hinterwirth dazu: "Meiner Meinung nach ein dummer, böser Scherz oder der Versuch von irgendeiner Seite, noch vor dem Urteil Unklarheiten künstlich hineinzubringen." Die Gutachter im Prozess hatten Brandstiftung ausgeschlossen.

Spannung um die "amerikanische" Ebene

Im Zivilbereich ist wohl die "amerikanische" Ebene am spektakulärsten: Neben den Klagen von Angehörigen der in Kaprun ums Leben gekommenen US-Bürger vor dem für den südlichen Bereich von New York zuständigen Gericht haben sich letzten Meldungen zufolge 116 Angehörige von nichtamerikanischen Opfern einer Sammelklage angeschlossen - im Wege einer so genannten "optin"-Klage und nur für Haftungsfragen. Bis 23. Jänner war ein derartiger Anschluss im Wege einer persönlichen Meldung beim New Yorker Gericht möglich.

Federführend bei der Klage in den USA ist der auf Katastrophen-Fälle spezialisierte Ed Fagan. Der Kern der Zivilklagen geht in die Richtung, dass es Fehler am Zug und am Tunnel in Kaprun gegeben habe, für die diverse Firmen und Unternehmen verantwortlich seien. Die erste Hürde war die Frage, ob das New Yorker Gericht überhaupt zuständig ist: Dafür entscheidend ist eine Geschäftstätigkeit der jeweiligen Firmen in den USA. Richterin Shira A. Scheindlin hat sich für die Unternehmen Siemens Deutschland und USA, nicht aber für Siemens Österreich zuständig erklärt (Letzteres ist nicht endgültig geklärt); weiters für Bosch Rexroth Deutschland und USA, Waagner-Biro Binder AG und Binder & Co AG sowie für Omniglow.

Abgelehnt wurde eine Zuständigkeit für die Öst. Elektrizitätswirtschafts-AG, für den Verbund, die Beton- und Monierbau, für Thyssen Schachtbau GmBH und für die Gletscherbahnen Kaprun AG. Fünf Klagen wurden zurückgezogen.

Mit den zivilen Ansprüchen in Österreich sind zehn Bezirksrichter befasst, die aber die Verfahren bis zur Rechtskraft des Urteils im Strafprozess ausgesetzt haben. Dort haben rund 300 Privatbeteiligte Schadenersatzforderungen über insgesamt 23,8 Mill. Euro eingebracht (u. a. Schmerzengeld, Begräbniskosten, Unterhalt, Pensionsansprüche), die aber von den Beschuldigten nicht anerkannt werden. Es läge am Richter, hier bei allfälligen Schuldsprüchen Beträge zuzuerkennen oder/und auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

100 Zivilklagen über 9,5 Mill. Euro

Verschuldensunabhängig, nach dem Eisenbahnkraftfahrzeug-Haftgesetz, gibt es jedoch Anspruch auf Versicherungsleistungen. Fünf Mill. Euro wurden bisher an Angehörige ausbezahlt, weitere Beträge sind in Form von Unterhaltsleistungen zu erwarten. Die Gletscherbahnen haben an jeden Angehörigen ersten Verwandtschaftsgrades je 7267 als Schmerzengeld für Seelenleid ausbezahlt. Doch mit Ende der Frist zur Anmeldung weiterer Forderungen am 11. November v. J. rollten über 100 Zivilklagen von 243 Personen im Gesamtumfang von 9,5 Mill. Euro auf die GBK zu. Auch hier geht es um Schmerzengeld, Unterhalt und Rentenansprü-che. Die GBK haben "überhöhte Forderungen" auch unter Hinweis auf die gängige Judikatur in Österreich abgelehnt.

© SN/APA.

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Brandschutz jetzt im Seilbahngesetz

12. Februar 2004 | 06:41

SALZBURG (APA, SN). Die Brandkatastrophe in der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn in Kaprun, bei der 155 Menschen am 11. November 2000 ums Leben gekommen sind, hat auch zu gesetzlichen Änderungen geführt: Im Seilbahngesetz 2003 gibt es nun auch eine eigene Bestimmung für den Brandschutz. Beim Kaprun-Prozess hat sich wiederholt gezeigt, dass dieses Thema bei Seilbahnen früher schlichtweg nicht vorgesehen war. Außerdem wurden nun in Standseilbahnen zum Teil Materialien ausgetauscht.

"In ganz Europa wurde das Thema Brandschutz früher nicht berücksichtigt", schilderte Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes der Seilbahnen, im Gespräch mit der APA. Die Erfahrungen seien in das neue Gesetz natürlich eingeflossen. Konkret schreibt das neue Gesetz jetzt vor, dass die Anlagen alle fünf Jahre auf Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes sowie auf Einrichtungen zur Brandbekämpfung überprüft werden müssen. Wirksam wird das neue Gesetz am 3. Mai 2004. In der Überprüfungsverordnung sollen die Details präzisiert werden, diese liegt aber noch nicht vor.

Die Lehren aus der Kaprun-Katastrophe habe man inzwischen gezogen, zeigt sich Wolf überzeugt: So seien in den bestehenden Fahrbetriebsmitteln die Boden- und Wandbeläge ausgetauscht worden. Das habe die Branche in Österreich insgesamt rund 22 Millionen Euro gekostet. Für neue Anlagen gebe es gänzlich neue Brandschutzrichtlinien. Darin sei zum Beispiel die Beschaffenheit der Seile vorgeschrieben. Im Fall eines Brandes muss es möglich sein, den Zug noch bis zur Tal- oder Bergstation ziehen zu können.

Auslöser für das neue Gesetz sei die Kaprun-Katastrophe aber nicht gewesen, so Wolf. Vielmehr habe der Fachverband gemeinsam mit dem Verkehrsministerium seit mehreren Jahren auf eine einheitliche EU-Richtlinie gedrängt. Erst als diese vorlag, hätten die nationalen Gesetze angepasst werden können. Neu im Gesetz sind auch verbindliche Sicherheitsanalysen und Sicherheitsberichte für Seilbahnanlagen. Auch die Verwendung von Sicherheitsbauteilen wird europaweit einheitlich geregelt. Zudem bringt das neue Gesetz in einigen Bereichen auch Verfahrensvereinfachungen.

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