Krone

22.02.2004

Heute aktuell in der "Krone"

Nach den 16 Freisprüchen im Kaprun-Prozess ist die Katastrophe juristisch noch nicht vorbei: Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt, ein Richtersenat überprüft die Urteile. Auch der Justizausschuss des Nationalrates berät über die Urteile. Aber auch zivilrechtliche Klagen stehen noch an: Bereits an die 100 solcher Klagen sind bereits von Angehörigen eingegangen. Die Schadenersatz-Prozesse finden unabhängig vom Kaprun-Prozess statt.

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Nach Freisprüchen: Jetzt hagelt es Zivilklagen

 

Nach den 16 Freisprüchen im Kaprun-Prozess ist die Katastrophe juristisch noch nicht vorbei: Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt, ein Richtersenat überprüft die Urteile. Auch der Justizausschuss des Nationalrates berät über die Urteile. Aber auch zivilrechtliche Klagen stehen noch an: Bereits an die 100 solcher Klagen sind bereits von Angehörigen eingegangen. Die Schadenersatz-Prozesse finden unabhängig vom Kaprun-Prozess statt.

Mehr als drei Jahre nach dem Unglück in dem österreichischen Wintersportort wurden am Donnerstag in Salzburg alle 16 Angeklagten freigesprochen. Sie könnten nicht für das Brandunglück verantwortlich gemacht werden, begründete Richter Manfred Seiss am Donnerstag in Salzburg das Urteil. Die Angehörigen reagierten mit Wut, Fassungslosigkeit und Tränen, die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein.
 
Angehörigen bleibt Zivilklage
Den Angehörigen bleibt jetzt zunächst nur eine Zivilklage gegen die Betreiber der Bahn und Firmen, die am Bau der Bahn beteiligt waren: Gefordert werden Unterhaltszahlungen, Renten, Schmerzensgeld und Schadenersatz. Mittlerweile wurden für 113 Opfer in den USA Schadenersatzklagen eingereicht. Anwalt Timo Gerersdorfer: "Derzeit befinden wir uns noch in der Prüfungsphase. Es geht um viele Millionen Euro. Bis Ende des Jahres wird es eine Entscheidung geben."
 
"Nur Menschen, aber nicht Firmen können schuldig sein"
Das Beweisverfahren habe eine vollständige Entlastung der Angeklagten erbracht, sagte Richter Manfred Seiss am Donnerstag in Salzburg. Er habe aber ausschließlich die Regeln des Strafrechts angewandt. "Nur Menschen, aber nicht Firmen können schuldig sein", sagte er. Die Beweisaufnahme habe eine "vollständige Entlastung der Beschuldigten" ergeben. Manfred Seiss zeigte aber auch Verständnis für die Reaktion der Angehörigen. Im Gerichtssaal reagierten Hinterbliebene der Opfer mit lautstarkem Protest, Wut und Fassungslosigkeit auf die Freisprüche.
 
Im Juni 2002 begann der Prozess
Der Prozess, der mehr als 60 Verhandlungstage beanspruchte, hatte im Juni 2002 begonnen. Den 16 angeklagten Mitarbeitern der Gletscherbahnen, Beamten des für Seilbahnen zuständigen Verkehrsministeriums sowie Vertretern der Prüfstellen und Angestellten der Liefer- und Konstruktionsfirmen wurden unter anderem "fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst" zur Last gelegt. In ihrem Schlussplädoyer hatte die Staatsanwaltschaft nur bei einem der Angeklagten auf einen Strafantrag verzichtet.

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Nach Pannen & Co.: Finale im Kaprun-Prozess

 

Es war ein Prozess mit vielen Pannen und Verzögerungen. Es war auch ein Prozess der Emotionen auf der einen und der technischen Spitzfindigkeiten auf der anderen Seite. Mit mehr als einem Jahr Verspätung endete an diesem Donnerstag der Kaprun-Prozess. Einzelrichter Manfred Seiss stand in Salzburg vor der Aufgabe, über Schuld oder Unschuld der 16 Angeklagten am schwersten Seilbahn-Unglück in der Geschichte Österreichs zu entscheiden.

Es war ein sonniger Wintermorgen am 11. November 2000. Mit einem Snowboard-Event sollte die Saison im Gletscherskigebiet am Kitzsteinhorn eröffnet werden, als ein Heizlüfter im Führerhaus der Stollenbahn wegen eines technischen Defekts heiß läuft. Dabei entzündet sich Hydrauliköl, der Brand breitet sich blitzschnell in der voll besetzten Bahn aus. 155 Menschen sterben, nur 12 können sich mit letzter Not durch ein eingeschlagenes Fenster aus dem qualmenden Tunnel ins Freie retten.
 
Verteidiger forderten Freispruch
Am 18. Juni 2002 beginnt der Prozess. Angeklagt sind drei führende Mitarbeiter der Kapruner Gletscherbahnen, drei Beamte des für Seilbahnen zuständigen Verkehrsministeriums in Wien, Vertreter der Prüfstellen, sowie technische Angestellte der Liefer- und Konstruktionsfirmen. Die Anklage lautet auf "fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst" beziehungsweise "fahrlässige Gemeingefährdung" mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Haft. Alle 16 bekennen sich bis zum Ende des Verfahrens nicht schuldig, die Verteidiger fordern ihren Freispruch.
 
Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat hingegen sah die Schuld bei 15 Angeklagten als erwiesen an. Der Heizlüfter hätte nie eingebaut werden, die Hydrauliköl-Leitungen hätten nicht hinter der Heizung verlaufen dürfen und die Bahn aus nicht brennbarem Material hergestellt sein müssen. Zudem seien die Brandschutzvorkehrungen unzureichend gewesen.
 
"Eklat", "Skandal" & "Schlamperei"
Während des Prozesses fielen in der Berichterstattung immer wieder Worte wie "Eklat", "Skandal" und "Schlamperei". So finden sich im Keller des Privathauses des Hauptsachverständigen wichtige Beweismittel. Nachdem ihm die Verteidiger Beweismittelunterdrückung vorwerfen, erscheint er nicht mehr zum Prozess und scheidet später wegen Krankheit aus dem Verfahren aus. Es dauert Monate, bis ein neuer Experte in die Materie eingearbeitet ist und dieser dann ein neues Gutachten vorlegt - das sich nur unwesentlich von dem seines Vorgängers unterscheidet.
 
Kriminalbeamte erscheinen, als Zeugen geladen, zum Lokaltermin mit einem Kofferraum voll Fotos, Videos und anderen Dokumenten, die das Gericht davor nicht kannte. Und auch beim Bundesheer, das als erstes Fotos und Filme im Unglücksstollen machte, tauchen diese für die Rekonstruktion des Unglücks wichtigen Dokumente erst lange nach Prozessbeginn wieder auf. Personalmangel im Salzburger Gericht verzögerte den Prozessverlauf weiter.
 
9,5 Mio Euro Schadenersatz-Forderungen
In Kaprun selbst ist unterdessen wieder der Alltag eingekehrt. Die Gäste sind zurück, die ausgebrannte Tunnelbahn wurde durch eine überirdische Seilbahn ersetzt. Im November, am vierten Jahrestag der Katastrophe, soll gegenüber der ehemaligen Talstation eine kleine Gedenkstätte für die 155 Opfer errichtet werden. Deren Hinterbliebene erwarten das Urteil mit doppeltem Interesse: Sie wollen nicht nur die Schuldigen am Tod ihrer Verwandten gefunden wissen. An etwaige Schuldsprüche schließen sich auch ihre Schadenersatz-Ansprüche in Höhe von insgesamt 9,5 Millionen Euro.

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Kaprun: Schlussplädoyer der Anklägerin

 

"Nach einem 55-tägigen Verhandlungsmarathon ist keine Frage mehr offen", ist sich Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat sicher. Sie eröffnete die Schlussplädoyers im Prozess um die Brandkatastrophe von Kaprun mit 155 Todesopfern und hielt ihre zu Beginn erhobenen Vorwürfe gegen 15 der 16 Beschuldigten voll aufrecht.

Noch einmal schilderte die Anklägerin, wie am Morgen des 11. November 2000 die voll besetzte Kitzsteingams von der Talstation abfuhr und exakt zwei Minuten und 26 Sekunden später im Tunnel zum Stillstand kam. Wie ein Fahrgast auf das Feuer aufmerksam machen wollte, aber keinen Handyempfang hatte. Wie Passagiere verzweifelt versuchten, die Scheiben einzuschlagen. Dass es nur zwölf Insassen gelang, sich ins Freie zu retten.
 
Dann ging Danninger-Soriat mit den Beschuldigten ins Gericht. Sie warf Vorstandsdirektor und Betriebsleiter schwere Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht vor: "Das hohe Brandrisiko wurde völlig falsch eingeschätzt und einfach übergangen."
 
Bei den Ingenieuren und Monteuren, die den brandauslösenden Plastik-Heizlüfter und die Hydraulikleitungen einbauten, ortete sie schwere Planungsdefizite, den Verzicht auf Schutzmaßnahmen. Ministerialbeamte und TÜV-Kontrollore hätten "nur stichprobenartig begutachtet und den Sinn jeder gesetzlichen Überprüfung unterlaufen".
 
Nur den für die Beurteilung von Gefahren am Arbeitsplatz Verantwortlichen nahm die Staatsanwältin nun aus der Schusslinie: "Er hat auf Probleme hingewiesen, auf Gefahren aufmerksam gemacht. Zu mehr war er nicht befugt." Am Mittwoch sind die Verteidiger am Wort.
 
Die Gletscherbahn zeigte jetzt übrigens Angestellte des Heizlüfterherstellers an: "Produktionsfehler waren bekannt, sie wären zu einer Rückrufaktion verpflichtet gewesen. Es hätte nicht zur Katastrophe kommen müssen."

 

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