CHRONIK

Kaprun: Hersteller unter der Lupe

Richter Seiss betonte bei der Urteilsbegründung, dass der Brand von einem defekten Heizlüfter ausging. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Salzburg - Nach den (noch nicht rechtskräftigen) Freisprüchen im Kaprun-Prozess hat die Staatsanwaltschaft Salzburg nun Vorerhebungen gegen den Hersteller des Heizlüfters eingeleitet. Das bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Thomas Wegleiter. Einzelrichter Manfred Seiss hatte in seiner Urteilsbegründung betont, dass der Brand eindeutig vom Heizstrahler im Unglückszug ausgegangen sei. Dieser habe einen Konstruktions-, Produktions- und Materialfehler gehabt. Bei der Katastrophe am 11. November 2000 im Stollen der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn in Kaprun sind 155 Menschen ums Leben gekommen.

Am vergangenen Donnerstag hatte Seiss alle Beschuldigten freigesprochen. Niemandem habe ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden können, hieß es in der Urteilsbegründung.
++++++++++++++++++

Kaprun: Gesetze gegen Katastrophen

Justizminister Böhmdorfer empfindet es als "grotesk", dass die Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden geregelt seien, die für Katastrophen hingegen nicht.

Wien - Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) hat anlässlich der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn in Kaprun EU-weit geregelte Sicherheitsstandards gefordert. Solche Normen würden vor allem durch die Erweiterung der Union nötig, sagte Böhmdorfer in der ORF-Diskussionsendung "Offen gesagt". "Ich bin sicher, dass die Standards dort, ohne jemanden kränken zu wollen, nicht das Niveau haben, wie bei uns", so der Justizminister. Er sprach sich zudem für eine Ausweitung des "immateriellen Schadens" aus.

"Echter Nachholbedarf"

Böhmdorfer ortete hier einen "echten Nachholbedarf im Sinne der Rechtsstaatlichkeit". Es sei "grotesk", dass man etwa für entgangene Urlaubsfreuden eine Regelung für den "immateriellen Schaden" eingeführt habe, eine solche für Katastrophen aber fehlen. Seit 2000 sei unter anderem zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die das Schadensrecht überarbeite.

Kritik an Prozess

Die "Spiegel"-Journalistin Gisela Friedrichsen und der Jurist und Vater eines Opfers, Johannes Stieldorf, kritisierten, dass die Angeklagten in dem Prozess keine Fragen der Privatkläger beantwortet hätten und dies auch nicht müssten. Dies wird laut Böhmdorfer in der neuen Strafgesetzordnung nicht mehr möglich sein. Darin sei "der Kreis der Geschädigten und der Opfer sehr erweitert" worden.

++++++++++++++

"Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit"

Sie war am Donnerstag zum Prozess nach Salzburg gekommen, in der Hoffnung auf Gerechtigkeit nach der Katastrophe von Kaprun.
Barbara Mayerhofer hat am 11. November 2000 ihren Mann Karl-Franz und ihre Tochter Barbara verloren. Am 19. Februar 2004 wurde ihre schlimmste Befürchtung wahr: Freispruch für alle Angeklagten.
Die Hoffnung auf das, was sie unter Gerechtigkeit versteht, hat sie begraben. "Für dieses Unglück muss es doch Schuldige geben!"
Barbara Mayerhofer kann das Urteil nicht verstehen. "Es war kein reibungsloser Prozess. Als ich die Worte des Richters hörte, habe ich gedacht, das kann nicht sein."
Öfters ist sie aus Vilsegg in Bayern gekommen, um den Prozess zu verfolgen. "Ich hatte immer mehr den Eindruck, dass es um eine verbrannte Bahn ging und die 155 Menschenleben einfach vergessen wurden."

KEIN VERTRAUEN

"Dieses Urteil ist durch Schlamperei entstanden", sagt die Mutter. Nicht aus Rache, sondern aus Gerechtigkeit, wie sie betont, will sie Schuldige genannt haben: "Der Richter ist ein Mensch. Er muss gerecht entscheiden. Dieses Urteil war aber ein Schlag ins Gesicht."
Jetzt will sie abwarten, wie die Staatsanwaltschaft vorgeht. "Ich hoffe, dass das US-Verfahren Gerechtigkeit bringt. In Österreich geht es sicher nicht mehr. Ich habe mein Vertrauen verloren."
Gerechtigkeit verlangt sie vor allem für ihre Familie. "Es hat sich viel geändert seit dem Unglück. Die Zukunft meiner beiden Söhne ist nicht mehr so rosig, wie sie einmal schien", erklärt sie. Karl, 15, und Johannes, 13, gehen noch zur Schule.
In Vilsegg haben die Mayerhofers einen kleinen Familienbetrieb. Sie musste einen Mitarbeiter einstellen, um das Unternehmen weiterführen zu können. "Ich hatte herbe finanzielle Nachteile", sagt sie. Ein Entschädigung würde für ihre Familie eine enorme Erleichterung bedeuten. "Für eine Frau ist das nicht so einfach."
Seit dem Unglück weiß Barbara Mayerhofer, wie nahe Leben und Tod beieinander liegen. Sie verlor Ehemann und Tochter – aber es hätte noch schlimmer kommen können: Vier der zwölf Menschen, die überlebten, waren Verwandte.

TIEFE SPUREN

Bei ihr hat die Katastrophe tiefe Spuren hinterlassen: "Ich bin in den drei Jahren viel sensibler geworden. Unwichtige Dinge nehme ich nicht mehr so ernst." Aufgeregt hätte sie nur ein Brief der Gletscherbahnen, wo im Briefkopf zu lesen war "Kaprun – 3000 Meter über den Dingen".
Ein Foto ihres Mannes und ihrer Tochter trägt sie immer bei sich. Das letzte gemeinsame Bild der beiden entstand am Abend des 11.November 200, als sie nach Kaprun fuhren. "Wäre in der Bahn so einm Nothammer gewesen wie im Bus, unter Umständen hätten beide überlebt".
Mayerhofers Wunsch: "Es täte gut, wenn jemand zu uns sagt ’Es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht’. Es macht zwar keinen mehr lebendig, aber uns täte es gut."

URTEIL RESPEKTIEREN

Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler sagte im ORF, man müsse das Urteil erster Instanz respektieren. Den Ruf nach dem Schuldigen sieht Fiedler als "im Zug der Zeit begriffen". Versucht werde, Fehlverhalten zu personalisieren. Das sei aber nicht in jedem Fall gerechtfertigt. Das geplante Unternehmensstrafrecht – auch Firmen können schuldig gesprochen werden, nicht nur Personen – hält er für überlegenswert. Fiedler kann sich auch eine Staatshaftung vorstellen.

++++++++++++++

Kaprun: Fiedler für Staatshaftung

Der Rechnungshofpräsident spricht sich für eine Staatshaftung im Fall Kaprun aus.

Wien - Rechnungshofpräsident Franz Fiedler spricht sich für die Einführung einer Staatshaftung aus. Nach Ansicht Fiedlers sollte auch das Fehlverhalten des Gesetzgebers Konsequenzen haben, etwa wenn verabsäumt wurde, Schutzbestimmungen einzuführen. Das sagte Fiedler am Samstag in der ORF-Radio-Reihe "Im Journal zu Gast".

EU wird fordern

Anlass für diese Überlegungen ist die Brandkatastrophe in der Standseilbahn von Kaprun, für die es damals noch keine Brandschutz-Vorschriften gab. Man müsse sich aber ohnehin mit der Frage der Staatshaftung befassen, weil diese in Zukunft auch von der EU eingefordert werden könnte, so Fiedler. Er hält zudem ein Unternehmensstrafrecht für "durchaus überlegenswert".

Fehlverhalten personalisiert

Zum Kaprun-Urteil selbst hielt Fiedler fest, es gelte diese erstinstanzliche Entscheidung zu akzeptieren. Es gebe die Möglichkeit der Berufung und man werde sehen, wie in der zweiten Instanz entschieden wird. Den Ruf nach dem Schuldigen sieht Fiedler als "im Zug der Zeit begriffen". Es werde versucht, Fehlverhalten zu personalisieren. Das sei aber nicht in jedem Fall gerechtfertigt. Die Entscheidung darüber liege aber bei den Gerichten.

+++++++++++++++++

Kaprun-Prozess: 16 Freisprüche

Richter Manfred Seiss sprach alle 16 Beschuldigten frei.

Salzburg - Der Kaprunprozess in Salzburg ist Donnerstagvormittag nach 20 Monaten mit den Urteilen zu Ende gegangen. Richter Manfred Seiss sprach alle 16 Beschuldigten frei. Ob dagegen Rechtsmittel erhoben werden, ist noch nicht bekannt. Den Männern war von Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat vorgeworfen worden, für die Brandkatastrophe am 11. November 2000 in der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn in Kaprun mitverantwortlich gewesen zu sein. Damals waren 155 Menschen ums Leben gekommen. Im Salzburger Kolpinghaus herrschte heute enormer Andrang.

Absolutes Unverständnis

Bei den Angehörigen stießen die Freisprüche großteils auf absolutes Unverständnis. Rund 20 verließen unmittelbar darauf den Verhandlungssaal und riefen unter anderem: "Das will ich mir nicht anhören!" oder "Ein Schaden für die Republik!" Vor dem Verhandlungssaal brach eine Japanerin zusammen, sie war aber wenige Minuten später bereits wieder auf den Beinen.

Firmen können nicht schuldig sein

"Nur Menschen, aber nicht Firmen können schuldig sein", zeigte Richter Manfred Seiss Verständnis für die Reaktionen. Er habe ausschließlich die Regeln des Strafrechtes angewandt. Bei vielen werde dies auf Unverständnis stoßen, so Seiss. "Die Freisprüche sind nicht als Niederlage der Staatsanwältin zu sehen." Aber das Beweisverfahren habe eine vollständige Entlastung der Beschuldigten ergeben. Der Richter betonte nochmals, dass im Verfahren alle Anträge berücksichtigt worden seien.

Brand ging von Heizstrahler aus

In der Urteilsbegründung meinte Seiss, dass der Brand eindeutig vom Heizstrahler im Unglückszug ausgegangen sei, der einen Konstruktions-, Produktions- und Materialfehler gehabt habe. Über den Einbau eines Heizlüfters in einer Standseilbahn habe es aber keine Norm gegeben, auch die Verlegung von Hydraulikleitungen auf der Rückseite des Lüfters seien unbedenklich gewesen. Bei den verwendeten Materialien im Zug sowie bei den Sicherheitsvorkehrungen sei der Stand der Technik eingehalten worden, so der Richter.

+++++++++++++++++++

News – 23. Feber 2004

Nach Kaprun-Urteil: Es wird noch gegen Hersteller des Heizlüfters ermittelt!

Richter Seiss: Brand von Heizstrahler ausgegangen

Streit um Verjährung ausgebrochen!

Nach den (noch nicht rechtskräftigen) Freisprüchen im Kaprun-Prozess hat die Staatsanwaltschaft Salzburg nun Vorerhebungen gegen den Hersteller des Heizlüfters eingeleitet. Einzelrichter Manfred Seiss hatte in seiner Urteilsbegründung betont, dass der Brand eindeutig vom Heizstrahler im Unglückszug ausgegangen sei, der einen Konstruktions-, Produktions- und Materialfehler gehabt habe.

Die Gletscherbahnen Kaprun AG (GBK) hatten während des Kaprun-Prozesses im Jänner 2004 eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Heizlüfter-Firma Fakir beim Landesgericht Salzburg eingebracht. Die Staatsanwaltschaft "hat am 28. Jänner gerichtliche Vorerhebungen eingeleitet", erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Thomas Wegleiter gegenüber der APA.

Zwei Vorwürfe lasten die GBK dem Heizlüfter-Hersteller an: Auf Grund eines Produktions-, Konstruktions- und Materialfehlers habe die Firma erstens eine fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst zu verantworten. Zweitens werfen die Gletscherbahnen den Verantwortlichen falsche Beweisaussagen im Kaprun-Prozess vor, die Zeugenaussagen seien "inhaltlich falsch" gewesen. Der Untersuchungsrichter habe die Beischaffung von Aktenbestandteilen beantragt.

Die Vorerhebungen, die außerhalb des Kaprun-Verfahrens durchgeführt würden, seien noch im Laufen, erklärte Wegleiter, auch wenn die Staatsanwaltschaft der Ansicht sei, dass der Vorwurf bezüglich der Herbeiführung einer Feuersbrunst bereits verjährt ist. "Der Heizlüfter wurde bereits im Jahr 1994" in die Standseilbahn eingebaut, argumentierte der Staatsanwalt. Die Verjährungsfrist habe in diesem Fall siebeneinhalb Jahre betragen und sei Mitte 2003 abgelaufen, da der Grundtatbestand wegen der hohen Anzahl an Toten "qualifiziert" sei und sich die Strafdrohung von sechs Monate Freiheitsstrafe auf fünf Jahre erhöhe.

Die Strafanzeige kann sich außerdem nur gegen Mitarbeiter der Firma richten, weil Firmen selbst derzeit strafrechtlich nicht verfolgt werden können, wie ja auch Richter Seiss in seiner Urteilsbegründung betonte hatte.

Gletscherbahnen: "Noch nicht verjährt"
Dass die Staatsanwaltschaft Salzburg auf die Verjährung des strafrechtlichen Delikts "fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst" in der eingebrachten Strafanzeige pocht, halten die Anwälte der Gletscherbahnen Kaprun AG für "einen Irrtum". Die deutsche Hersteller-Firma "Fakir" habe es im Jahr 1997 trotz Kenntnis über die Gefährlichkeit des Heizlüfters "Hobby TLB" verabsäumt, eine Rückholaktion durchzuführen", erklärte Rechtsanwalt Philipp Längle auf Anfrage der APA. Die Verjährungsfrist gelte ab diesem Datum, nicht ab dem Einbau des Heizgerätes in die Gletscherbahn im Jahr 1994.

Die GBK sind der Ansicht, dass die Verjährungsfrist bis heuer andauert. Deshalb haben deren Anwälte bereits im Jänner 2004 die Strafanzeige gegen die deutsche Firma Fakir aus Vaihingen bei Stuttgart eingebracht. Sie werfen dem Geschäftsführer und dem Entwicklungsleiter des Unternehmens weiters "falsche Beweisaussagen" vor. Die beiden Verantwortlichen hätten die Änderung des Modells Hobby TLB zur Serie "Hobby S" fälschlich als "bloße Designänderung" begründet, erläuterte der Rechtsanwalt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Udo Geishofer vom Oktober 2003 sei diese Aussage aber falsch, meinte Längle. Die Staatsanwaltschaft Salzburg habe es bis Jänner verabsäumt, darauf zu reagieren.

Die Anwälte der Gletscherbahnen schließen sich dem Gutachten Geishofers an und meinen, dass die Firma Fakir von der Gefährlichkeit des Heizlüfters gewusst habe. Bei dem Modellwechsel im Jahr 1997 seien genau die im Kaprun-Prozess bemängelten Schwachstellen in der Konstruktion beseitigt worden. "Es besteht der Verdacht, dass der Herstellter trotz dieser Erkenntnis über die Gefährlichkeit des Heizgerätes eine Rückholaktion - wie sie nach dem Produktsicherheitsgesetz vorgeschrieben ist - nicht durchgeführt hat", so Längle.

155 Insassen starben
Bei der Katastrophe am 11. November 2000 im Stollen der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn in Kaprun sind 155 Menschen ums Leben gekommen.

Am vergangenen Donnerstag hatte Seiss alle Beschuldigten freigesprochen. Niemandem habe ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden können, hieß es in der Urteilsbegründung. (apa/red)

++++++++++++++++

Nach Kaprun: Böhmdorfer fordert EU-weite Sicherheitsnormen

"Normen würden vor allem durch die Erweiterung der Union nötig"

Justizminister Böhmdorfer hat anlässlich der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn in Kaprun EU-weit geregelte Sicherheitsstandards gefordert. Solche Normen würden vor allem durch die Erweiterung der Union nötig, sagte Böhmdorfer in "Offen gesagt" am Sonntagabend.

"Ich bin sicher, dass die Standards dort, ohne jemanden kränken zu wollen, nicht das Niveau haben, wie bei uns", so Böhmdorfer. Er sprach sich zudem für eine Ausweitung des "immateriellen Schadens" aus. Böhmdorfer ortete hier einen "echten Nachholbedarf im Sinne der Rechtsstaatlichkeit". Es sei "grotesk", dass man etwa für entgangene Urlaubsfreuden eine Regelung für den "immateriellen Schaden" eingeführt habe, eine solche für Katastrophen aber fehlen. Seit 2000 sei unter anderem zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die das Schadensrecht überarbeite.

Die "Spiegel"-Journalistin Gisela Friedrichsen und der Jurist und Vater eines Opfers, Johannes Stieldorf, kritisierten, dass die Angeklagten in dem Prozess keine Fragen der Privatkläger beantwortet hätten und dies auch nicht müssten. Dies wird laut Böhmdorfer in der neuen Strafgesetzordnung nicht mehr möglich sein. Darin sei "der Kreis der Geschädigten und der Opfer sehr erweitert" worden. (apa/red)

 

++++++++++++++

Kaprun-Verfahren: Diskussion im Justizausschuss

Opposition fordert Unternehmensstrafrecht

PLUS: Alle Infos zum Urteil!

Nach den Freisprüchen im Kaprun-Prozess hat sich am Freitag auch der Justizausschuss des Nationalrats im Rahmen einer aktuellen Aussprache mit Justizminister Dieter Böhmdorfer mit dem Thema befasst. SPÖ und Grüne forderten dabei die rasche Umsetzung des so genannten Unternehmensstrafrechts, mit dem auch juristische Personen strafrechtlich haftbar gemacht werden können.

Die Opposition warf der ÖVP vor, die Umsetzung des Unternehmensstrafrechts bisher verhindert zu haben. Einig waren sich die Parteien allerdings darin, dass das Urteil selbst im Ausschuss nicht diskutiert werden könne.

ÖVP-Justizsprecherin und Ausschussvorsitzende Maria Fekter betonte in diesem Zusammenhang, dass die Gerichtsbarkeit im Justizausschuss sicher nicht debattiert werde. Schließlich könne man die "Gewaltenteilung nicht über Bord werfen auf Grund eines aktuellen Anlassfalls". Das Unternehmensstrafrecht werde "mit Sicherheit" eingeführt, sagte Fekter.

Dem Vorwurf der Opposition, die ÖVP habe das Gesetz bisher verhindert, begegnete Fekter mit dem Hinweis, dass der Erstentwurf ungenügend gewesen sei. Die Industriellenvereinigung habe daraufhin einen Gegenentwurf vorgelegt und derzeit sei der zuständige Bearbeiter im Justizministerium karenziert, so Fekter.

SP-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier kritisierte, dass es im Vorfeld des Kaprun-Prozesses zahlreiche Ermittlungspannen gegeben habe. So sei "wesentliches Beweismaterial verschwunden". Zudem sei eine einzige Staatsanwältin 16 Verteidigern gegenüber gestanden. Ob es ohne diese Pannen ein anderes Urteil gegeben hätte? Maier: "Das ist nicht auszuschließen."

Der ÖVP warf Maier vor, das Unternehmensstrafrecht bisher verhindert zu haben und forderte dessen baldige Umsetzung. Auch die grüne Justizsprecherin Terezija Stoisits verwies darauf, dass Österreich bei der Umsetzung entsprechender EU-Normen säumig sei. Die Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen könne zwar den Angehörigen der Kaprun-Opfer nicht mehr helfen, aber es wäre eine Möglichkeit für die Politik, eine "angemessene Reaktion zu zeigen".

Die "Bremser" in Sachen Unternehmensstrafrecht "sind offensichtlich in der Wirtschaft, sprich Wirtschaftskammer", meint Stoisits. Auf die Frage, ob der Kaprun-Prozess anders ausgegangen wäre, hätte es schon im Jahr 2000 ein Unternehmensstrafrecht gegeben, wollte sie sich nicht einlassen. Dies hänge von der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieses Gesetzes ab. (apa)

+++++++++++++++++

Kaprun-Urteil: Wiener Strafrechtler will "opfergerechtere Verfahren"

Unternehmensstrafrecht "nicht Stein der Weisen"

Höpfel schlägt "Versöhnungskommissionen" vor

Nicht optimal ist für den Wiener Strafrechtsprofessor Frank Höpfel die strafrechtliche Aufarbeitung der Causa Kaprun gelaufen. "Man hat eh sehr viel getan, um es den Hinterbliebenen leichter zu machen. Die Qualen, die mit einem so langen Verfahren verbunden sind, hätten aus ihrer Sicht aber wohl nur einen Sinn gehabt, wenn ein Schuldspruch rausgekommen wäre", zeigte der Strafrechtler im Gespräch mit der APA Verständnis für die teilweise empörten Reaktionen über die Freisprüche. Höpfel tritt aus diesem Grund für "opfergerechtere Verfahren" ein.

"Gerade bei solchen Delikten, wo derart viele Menschen ums Leben kommen und die Schuldfrage unklar ist, muss über bessere Wege nachgedacht werden, das anzugehen", meinte er. Das von Justizminister Dieter Böhmdorfer in Aussicht gestellte Unternehmensstrafrecht, nach dem auch juristische Personen haftbar gemacht werden sollen, hält der Universitätsprofessor "nicht für den Stein der Weisen, auch wenn es sich aufdrängt". Begründung: Ist ein schuldhaftes, rechtswidriges Fehlverhalten nicht eindeutig nachweis- bzw. zuordenbar, sei nicht zwangsläufig mit einer den Betroffenen gerecht werdenden gerichtlichen Entscheidung zu rechnen.

Höpfel fordert daher vor allem eine "opfergerechte Ausgestaltung des Prozesses", wobei er "Versöhnungskommissionen" vorschlägt. "Derzeit ist bei Delikten mit Todesfolge ein außergerichtlicher Tatausgleich nicht möglich", hält der Experte fest. Bei Katastrophen wie Kaprun, dem Seilbahnunglück von Cavalese oder dem Zugunglück von Enschede wäre es seiner Ansicht nach möglicherweise sinnvoller gewesen, statt langwierigen Strafprozessen "die Familien der Getöteten und die Verdächtigen an einen Tisch zu bringen". Zumal die finanziellen Entschädigungen in aller Regel separat in Zivilverfahren geklärt werden müssen.

Höpfel könnte sich zu dieser Frage eine Länder übergreifende Lösung vorstellen: "Es lohnt sich, europaweit über Institutionen nach dem Muster von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen nachzudenken." Gefordert sei der Europarat: "Er könnte eine Empfehlung ausarbeiten, die man dann entsprechend legistisch umsetzen müsste." (apa)

 

+++++++++++++++++

Kaprun-Urteil: Rund 100 Zivil-Klagen liegen vor

OLG Linz wird über Rechtskräftigkeit erst in ein paar Monaten entscheiden

Böhmdorfer drängt jetzt auf Unternehmensstrafrecht

Beim Kaprun-Prozess wurde am Donnerstag das Urteil in erster Instanz bekannt gegeben. Während es nach der Berufung durch die Staatsanwaltschaft noch einige Monate dauern wird, bis das OLG Linz über die Rechtskräftigkeit entscheidet, werden nun die zivilrechtlichen Klagen in Angriff genommen. Derzeit werde mit den Anwälten geklärt, ob und welche Verfahren als "Musterprozess" abgehandelt werden, sagte Landesgerichtspräsident Walter Grafinger der APA.

Auf der zivilrechtlichen Ebene liegen rund 100 Klagen von über 240 Personen gegen die Gletscherbahn vor: Hinterbliebene wollen Renten, Unterhaltszahlungen, Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Höhe des Gesamtstreitwertes wird mit mehr als 9,5 Millionen Euro beziffert.

Abgehandelt werden die zivilrechtlichen Klagen von Richtern des Landesgerichtes Salzburg, da die Forderungen Beträge über 10.000 Euro umfassen, sagte Grafinger. Geprüft werde nun von den Richtern und Anwälten ein "Musterprozess", da es bestimmte gleiche Konstellationen bei den Klagen gebe.

Da das Strafverfahren keine bindende Wirkung für Zivilprozesse hat, könnte das gesamte Beweisverfahren neu durchgeführt werden, sagte der Gerichtspräsident. Die Kosten müsse dann derjenige übernehmen, der den Prozess verliert.

Zuversichtlich, dass die Angehörigen der Opfer der Kaprun-Katastrophe Geld durch die Prozesse in den Vereinigten Staaten bekommen werden, ist US-Anwalt Ed Fagan, der in den USA einige Verfahren gegen Firmen laufen hat und denen sich rund 120 Angehörige angeschlossen haben. Die Forderungen belaufen sich zwischen sechs und 15 Millionen US-Dollar (4,70 bis 11,75 Millionen Euro) pro Opfer, je nachdem, ob es zum Beispiel Ehefrauen oder Kinder zu unterstützen hatte, so Fagan.

Vorgegangen wird zunächst gegen drei US-Firmen (Omniglow, American Parmalight und American Cynamic), dann gegen die vier europäischen Firmen Siemens, Bosch Rexroth, Waagner-Biro und Beton- und Monierbau. Mit einem Urteil gegen die drei US-Firmen rechnet Fagan Ende dieses Jahres, bei den europäischen Unternehmen im Jahr 2005. (apa/red)

+++++++++++++++++

Kaprun-Urteil: Opfer-Anwalt Witti äußert Verständnis

"Müssen uns damit abfinden, dass niemand strafrechtlich dafür verantwortlich ist"

Opfer-Anwalt Michael Witti hat Verständnis für das umstrittene Urteil im Prozess um die Seilbahnkatastrophe von Kaprun gezeigt. Für die Hinterbliebenen der 155 bei dem Unglück ums Leben gekommenen Menschen seien die Freisprüche für die 16 Angeklagten natürlich eine unheimliche Belastung, sagte der Rechtsanwalt am Freitag im Norddeutschen Rundfunk.

Wenn man aber genauer die höchst kompliziert verlaufene Katastrophe betrachte, sei es tatsächlich so, "dass keinem die notwendige Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden konnte, so dass es strafbar wird", sagte Witti. "Wir müssen uns damit abfinden, dass es offensichtlich Katastrophen und Unglücke gibt, wo niemand strafrechtlich dafür verantwortlich ist."

Er sei dennoch sehr optimistisch, in dem bereits seit längerem in den USA laufenden Zivilprozess einen Schadenersatz für die Opfer erstreiten zu können. "Ich weiß, dass man jetzt plakativ Millionenzahlen hören möchte", sagte Witti, der sich nicht über eine endgültige Größenordnung der Forderungen äußern wollte. Unabhängig von der Höhe sehe er in den USA jedoch bessere Chancen für die Klage als in Europa: "Wir sehen ja heute, es ist schwierig in Österreich, überhaupt etwas zu bekommen." (apa)

 +++++++++++++++++++++++++++++++++++

salzburg.orf.at
23. Feber 2004


Vorerhebungen gegen Heizlüfter-Hersteller
Nach den nicht rechtskräftigen Freisprüchen im Kaprun-Prozess vergangene Woche gibt es jetzt Vorerhebungen gegen den Hersteller des Heizlüfters. Das Gerät hat nach Gerichtsgutachten das katastrophale Feuer am 11. November 2000 ausgelöst.
 

Anzeige von Gletscherbahnen Kaprun
Anlass für die Erhebungen sei eine Anzeige der Kapruner Seilbahnen, sagt Thomas Wegleiter, Sprecher der Staatsanwaltschaft Salzburg: "Die Anzeige der Gletscherbahnen wurde einerseits in Richtung der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst eingebracht, andererseits wegen des Verdachtes der falschen Zeugenaussage vor Gericht."

Zwei Mitarbeiter des Heizlüfter-Herstellers hatten im Kaprun-Prozess ausgesagt, dass eine Änderung an dem Heizlüfter in den Jahren 1996 und 1997 ausschließlich Design-Gründe hatte. Die Gerichtssachverständigen kamen aber zu dem Ergebnis, dass das Gerät auch technisch verändert wurde, weil es einen Konstruktionsfehler hatte.

Einbau des Heizlüfters verjährt?
Wegen der Herbeiführung der Feuersbrunst könne der Hersteller aber nicht belangt werden, glaubt Wegleiter: Denn der Heizlüfter wurde im Jahr 1994 in den späteren Unglückszug eingebaut - damit sei der Fehler im Heizlüfter, der das Feuer ausgelöst hat, verjährt, ergänzt der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Anwälte: Keine Rückrufaktion trotz Defekts
Die Anwälte der Kapruner Gletscherbahnen sehen das anders: Sie argumentieren, dass der Heizlüfter technisch geändert wurde, nachdem der Konstruktionsfehler erkannt worden war. Die Herstellerfirma hätte das Produkt zurückrufen müssen, argumentieren sie.

Von dem Konstruktionsfehler seien 600.000 hergestellte Heizlüfter betroffen.

Heizlüfter-Firma wehrt sich
Die Heizlüfter-Firma Fakir hat inzwischen jede Verantwortung für das Gletscherbahn-Unglück in Kaprun bestritten. Es sei nicht bewiesen, dass der den Brand auslösende Heizlüfter von Fakir sei, sagte ein Vertreter des Unternehmens der Nachrichtenagentur AFP.

Zwar seien in der Bahn Heizlüfter von Fakir gewesen. Ob aber definitiv auch in dem Unglückswagen solche Geräte installiert waren, sei unklar, sagt der Unternehmenssprecher: "Es steht nicht fest, dass der defekte Heizlüfter von uns war." Außerdem stehe in der Bedienungsanleitung für die Heizlüfter, dass sie nicht in Fahrzeuge eingebaut werden dürften.

 

salzburg.ORF.at
Opfer-Anwalt Witti fordert Entschädigungs-Fonds

Kümmert sich Staat zu wenig um Brandschutz?

Fiedler: "Staat soll für Fehler haften"

Folgen von Kaprun: Strafrecht für Firmen gefordert

Richter kritisiert Heizlüfter-Firma

Alle 16 Beschuldigten freigesprochen

Reaktionen:

 

lurnivor  29min
Ich frage mich, was die Tüftelei soll. So schlimm es für die Angehörigen auch ist, es ändert nichts an der Tatsache, dass elektronische Geräte auch unvorhergesehene Defekte haben können. Von der selben Type halten manche 20 Jahre, andere nicht mal 10 Jahre. Nach so langer Zeit läßt sich auch nicht mehr eruieren, was am Gerät wirklich defekt war. Warum baut nicht der Seilbahnhersteller Elektroheizungen ein. Aber selbst die können einen Kabelbrand auch nicht ausschließen. Wen will man also verantwortlich machen. Wenns nur ums Geld geht, dann teilt die Kosten der Berufung lieber auf die Angehörigen aus.

sphings
czapperlvor  55min
Dein Posting strotz nur so von Fehlern: 1) war die Hydraulikleitung nicht aus PVC. 2) hat nicht die PVC-Verkleidung zu brennen begonnen sondern das Öl.

bitte czapperl,
tosca29vor  8min
tu mir einen gefallen und gib das von der frühlings-sonne runter von deiner visitenkarte. "das merk ich sogar als frau", is echt schlimm. und klingt etwas macho-mäßig auf deiner visitenkarte.

Das Drama von Kaprun
sphingsvor 1h 19min
Unmittelbar unterhalb der PVC-Verrohrung von Hydraulikölleitungen wurde entgegen den ÖVE-Vorschriften ein offener Elektroheizlüfter mit glühenden Heizspiralen nachträglich vorschriftswidrig in der Zugsführerkabine montiert und grobfahrlässig in Betrieb genommen. Erwartungsgemäß wurde in der weiteren Folge die PVC-Hydraulikleitung durch Hitzeeinwirkung in Brand gesetzt,sodaß sich hochexplosives Hydrauliköl über den Heizlüfter ergoss,die unbesetzte Zugführerkabine in Brand setzte und das Inferno von Kaprun einleitete.Eine Anzeige an den Heizlüfterhersteller kann nicht zum Ziele führen,da nach ÖVE bereits seit 40 Jahren untersagt ist offene Elektroheizlüfter unter Rohrsystemen von flüssigen Medien zu installieren. Trotz der offensichtlich impertinenten erwiesenen Fahrlässigkeit des Betreibers waren weder Staatsanwalt noch Richter innerhalb einer verschleppten Prozessdauer von 3Jahren in der Lage die betroffenen Verursacher zu ermitteln. Nachdem die Österr.Justiz offensichtlich bis dato nicht in der Lage war eine gesetzeskomforme Verfahrenstranparents zu demonstrieren und auch nicht bemüht ist die Schmierseifenlieferanten für das "Salzburger-Stierwascher-Team!" zu eliminieren,soll in diesem Fall tunlichst ein internationales Gremium in das fragliche Verfahren eingeschaltet werden.

Falsche Darstellung
kurtlbuaavor 1h 9min
Denn, ganz offensichtlich konnte das Gericht keinerlei Fahrlässigkeit feststellen, sonst wäre es zu einer Verurteilung gekommen. bzgl.: "Erwartungsgemäß wurde in der weiteren Folge die PVC-Hydraulikleitung durch Hitzeeinwirkung in Brand gesetzt" Wenn das jemand erwartet hätte, wäre es nicht passiert ....

sphings - du bist am ähnlich falschen Dampfer
luginslandvor 1h 2min
wie die ignorante Salzburger Staatsanwaltschaft. Weder der Betreiber (Besteller der Bahn) noch der Heizlüfterproduzent sind an dem Unglück schuld. Als Konstrukteur eines Massenverkehrsmittels darf man keinen Supermarkt-Heizlüfter einbauen lassen !

weitere Fehler...
chris00081vor  48min
abgesehen von dem weiter unten angeführten Fehler sollte hier noch festgestellt werden, dass es sich nicht um "hochexplosives" Hydrauliköl handelt. (Vielleicht solltest du Dich einmal etwas genauer damit auseinandersetzen was man unter "leicht entflammbar", "brennbar", "explosiv", "hochexplosiv" und dergleichen versteht... lg. Christian

falscher-dampfer-luginsland:
v12biturbovor  24min
was wäre wohl (nicht) geschehen, hätten die gletscherbahnen zugsgarnituren für den hochalpinen einsatz mit SERIENMÄSSIGER heizung angekauft? eine derartige ausstattung wirds ja wohl gegeben haben?? der pfuscheinbau mit der badezimmerlüftung wäre jedenfalls nicht notwendig gewesen...

> v12biturbo - das ist billigster Aktionismus der Staatsanwaltschaft !
luginslandvor  8min
Der Bau einer Verkehrseinrichtung für Menschen ist ja nicht dasselbe, wie die Errichtung einer Modelleisenbahn. Also müssen sich die beauftragten Konstrukteure überlegen, welche Bauteile für den vorgesehenen Verkehrsbetrieb geeignet sind. Sonst würde wohl jedes Jahr mal eine U-Bahn in Flammen aufgehen.

aktionismus?
v12biturbovor  0min
irgendwie hast mich missverstanden: der ganze wahnsinn wär doch nicht passiert, wenn die in kaprun von vornherein ein taugliches verkehrsmittel beschafft hätten. und selbst wenn man nachträglich was einfügt: murkst du in dein auto selber einen heizlüfter rein oder fährst doch eher in die werkstatt zum einbau einer für den kfz-betrieb vorgesehen standheizung?

zurück