Aus der Zeitschrift "Gendarmerie aktiv", Heft 1/2001

 

Am 11. November 2000, um 9 Uhr, gerät 600 m nach Einfahrt in den Tunnel die bergwärts fahrende Zugsgarnitur der Gletscherbahn Kaprun in Brand. Aus der brennenden Zugsgarnitur können sich 12 Personen über die Nottreppe in Richtung Talstation aus dem Tunnel retten. 150 Passagiere ersticken und verbrennen bei dem Versuch, sich aus dem brennenden Fahrzeug auf die Nottreppe und von dort bergwärts durch den Tunnel zu retten. Zwei Personen ersticken im talwärts fahrenden Zug, drei weitere in der im Alpinzentrum integrierten Bergstation an den Rauchgasen.

Unmittelbar nach Brandausbruch retten sich aus dem Gebäudekomplex"Alpinzentrum" (Gletscherbahn-Bergstation, Restaurantbetriebe, Skiverleih, Sportartikelgeschäft etc) die dort anwesenden Personen. Eine Person mit schweren Beeinträchtigungen durch Rauchgas wird von einem anwesenden Bergrettungsmann ins Freie gebracht.

Bereits um 9.11 Uhr erreicht die Bezirksleitzentrale Zell am See via Notruf die Verständigung vom Brand in der Standseilbahn. Sofort wird Großalarm ausgelöst und der OVD des LGK Salzburg verständigt. Von dort aus werden der Landesgendarmeriekommandant, der Gruppenleiter 1 und der Leiter der KA verständigt, weiters erfolgt eine mündliche Vorinformation an das GZK im BMI.

Durch Streifen werden erste Verkehrsmaßnahmen vor Ort ergriffen, um 9.35 Uhr übernimmt das BGK Zell am See die Einsatzführung.

Sämtliche Gendarmeriekräfte aus dem Bezirk werden zusammengezogen und Alpingendarmen zur Bergstation geflogen. Erstaufgabe ist die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Einsatzbereichen, die Errichtung von Sperren sowie die Freihaltung der Verkehrswege.

Als Erstmaßnahme werden von Gendarmen des GP Kaprun und der umliegenden GP die Rampe und die Talstation der Gletscherbahn geräumt und der Bereich großflächig abgesperrt, weil eine unkontrollierte Talfahrt bzw ein Absturz der verunfallten Garnitur nach dem Zugseilriss nicht ausgeschlossen werden kann. Auch die Verletzten, die sich aus dem Zug retten konnten, werden im Tunneleingangsbereich geborgen und mit anderen Rettungskräften aus dem Gefahrenbereich, zT durch das alpine Gelände, in das Tal zu Erstversorgung gebracht.

Vom OVD werden auf Landesebene Gendarmeriekräfte alarmiert (Kriminalabteilung Einsatzeinheit, Alpingendarmen). Vom GZK werden ab 10.30 Uhr zunächst Tatortspezialisten der KA Niederösterreich und Tirol mit spezifischem Identifizierungs- und Bergematerial aus Schwechat zum Einsatzort beordert.

Gleichzeitig wird im LGK versucht, die zahlreich anfragenden Stellen und Medien mit Erstinformationen zu bedienen.

Bis 11 Uhr treffen wesentliche Führungsorgane vor Ort ein (Landeshauptmann, Vertreter Bezirkshauptmannschaft, Rettungs- und Landesfeuerwehrkommandant, Gruppenleiter 1, Leiter KA, BGKdt Zell am See). Bis zu diesem Zeitpunkt liegt der Schwerpunkt des Einsatzes bei den Brandbekämpfungs- und Bergemaßnahmen der Feuerwehr und dem Roten Kreuz. Die Lage in Kaprun wird von der BH um 10 Uhr zur Katastrophe erklärt.

Nachdem sich um 11.30 Uhr das Ausmaß der Katastrophe abzeichnet und bis zu 180 Opfern im Stollen zu rechnen ist, ruft der Landeshauptmann die anwesenden Leiter der Einsatzorganisationen zu einer ersten Sitzung des Krisenstabes zusammen. Hinsichtlich des Gendarmerieeinsatzes wird festgehalten, dass die Hauptaufgaben in der Bergung und Identifizierung der Opfer, der Brandursachenermittlung, der Vermisstenermittlung sowie im Verkehrs- und Ordnungsdienst (Sperren, Bewachungen, Personenschutz etc) liegen werden. Dafür wird am GP Kaprun ein Einsatzstab errichtet und Spezialisten aus dem gesamten Bundesgebiet einberufen.

Man schlägt Assistenzleistungen des Bundesheeres für Transportaufgaben, der Feuerwehr für Absicherungsund Sperrmaßnahmen und des Roten Kreuzes für Datenermittlungen und Hotlinebedienung vor.

Dieses Konzept wird vom Landeshauptmann akzeptiert und in ein Gesamtkonzept integriert, weiters werden die Errichtung eines Krisenzentrums durch Rotes Kreuz und Psychologen, die von der Gendarmerie beantragte großräumige Sperre des Talschlusses per behördlicher Verfügung sowie die Koordination der inzwischen errichteten verschiedenen Hotlines und Datenerfassung möglicher Vermisster durch die Gendarmerie beschlossen.

 

Der Führungsstab

Um 13 Uhr beruft der Landeshauptmann die beteiligten Einsatzorganisationen und Vertreter der Gebietskörperschaften zu einer ersten Sitzung des Katastrophenstabes im Gemeindeamt Kaprun zusammen.

Der Landeshauptmann nimmt die Vorschläge der Gendarmerie betreffend Sicherungsmaßnahmen, Opferbergung, Vermisstenermittlung, notwendige Verkehrsmaßnahmen und sonstige ordnungsdienstliche Maßnahmen auf und ersucht die weiteren Einsatzkräfte und Vertreter der verschiedenen Institutionen, die Gendarmerie in den vorgeschlagenen Bereichen zu unterstützen. Weiters werden Regelungen hinsichtlich der Angehörigenbetreuung und -abschirmung, der Pressearbeit und Unterstützungsmaßnahmen des Unternehmens getroffen.

Der Leiter der KA erläutert dann die vorgesehenen Vorgangsweisen betreffend die Opferidentifizierung und Ermittlungsmassnahmen im Hinblick auf die Brandursache. Anschließend wird die 1. Pressekonferenz vorbereitet. Bis 15. 11. 2000 tagt der Führungsstab in der genannten Form dreimal täglich. Einsatzschritte werden hinsichtlich Planung, Zeitablauf, Kräfte- und Materialerfordernis vorgetragen, die notwendigen Koordinierungen zwischen den Einsatzorganisationen und -bereichert vorgenommen und flankierende Maßnahmen vereinbart. Anschließend werden die jeweilige Pressekonferenz vorbereitet und die Teilnehmer bestimmt.

 

Der Einsatzstab

Der Einsatz wird bis 11.30 Uhr ausschließlich durch Organe des BGK geleitet. Der Leiter KA trifft um 10.30 Uhr ein, verschafft sich einen Überblick über die Lage und die bereits getroffenen Maßnahmen, fordert nach Beratung mit den Führungskräften vor Ort und in den Leitzentralen via GZK und LGK notwendige Verstärkungen personeller und technischer Natur (mobiles Funkrelais, Fahrzeuge) an. Weiters werden die Einsatzeinheit sowie zusätzliche Verkehrskräfte und Alpingendarmen aus den benachbarten Bezirken beordert.

Ab 11.30 Uhr beginnt der Aufbau des Einsatzstabes und die Strukturierung des Gendarmerieeinsatzes in 8 Einsatzabschnitte.

Der Einsatzstab wird auf dem GP Kaprun in räumlicher Nähe zum Katastrophen(führungs)stab eingerichtet.

Die weiteren vorhandenen Führungskräfte werden unmittelbar mit der Führung von Einsatzabschnitten betraut.

Ab 11. 11., 16 Uhr, wird ein Teil des Einsatzstabes in den Bereich Talschluss/Hubschrauberlandeplatz verlegt und dort der stv. Leiter des Einsatzstabes mit der Führung der Einsatzabschnitte Ermittlung, Opferbergung und Identifizierung ("Einsatzbereich Berg"), dem Einsatzmittelnachschub, die beiden genannten Einsatzabschnitte betreffend, sowie der Protokollführung betraut. Die Verbindung zum Einsatzstab Kaprun ist durch permanente Kommunikationslinien gewährleistet.

Die genannte Maßnahme erwies sich durch die örtlichen Besonderheiten, die vorhandenen räumlichen Ressourcen sowie die Tatsache der notwendigen und funktionierenden Abschirmung des Einsatzbereiches

Berg als zweckmäßig.

Am 11. 11. 2000,15.30 Uhr, erteilt die vor Ort anwesende Gerichtskommission erste Aufträge betreffend die Ermittlung und Identifizierung der Opfer. In weiterer Folge besteht permanenter fernmündlicher Kontakt mit U-Richterin und Staatsanwältin.

Unterabschnitt (UA) Bergung/Identifizierung: Transport und Einsatzwege

Sämtliche weiteren Ermittlungs- und Bergungsarbeiten werden durch die schwierigen örtlichen Verhältnisse extrem erschwert.

Rettungs-, Berge- und Ermittlungsmannschaften müssen per Hubschrauber vom Tal über 800 Höhenmeter zum Querstollen Breitriesenalpe geflogen werden, von dort ca 700 m den Querstollen in den Berg zur Mittelstation hinein zu Fuß zurücklegen, dann sind 2000 Stufen (ca 370 Höhenmeter) talwärts zu überwinden, um an den Unfallort zu gelangen.

Nach Einsatzabschluss dort steigen die Einsatzkräfte weitere 3000 Stufen in das Tal ab, während von oben Ersatzkräfte nachrücken.

Material zum und vom Unfallort wird mit einem in der Nacht von 11. zum 12. 11. eigens konstruierten Behelfsaufzug von der Unfallstelle zur Mittelstation, von dort mit einem Motorkarren aus dem Querstollen ins Freie und mit dem Hubschrauber ins Tal gebracht. Die Bergstation wird per Hubschrauber oder über die parallel laufende Gondelbahn erreicht.

 

Die zweite Zugsgarnitur, im Tunnel ca 1200 m von der Bergstation in Richtung Tal stehend, kann nur zu Fuß über die Nottreppe erreicht werden.

Allein diese äußeren Bedingungen beim Weg zum und vom Einsatzort, die alpine Herausforderung im Stollen (Steilheit, Wassereinbrüche, Steinschlaggefahr während der Bergearbeiten werden von Landesgeologen 4,2 t gelöstes Gestein geborgen bzw gesichert - etc) bringen die Einsatzkräfte an die Grenze ihrer physischen Belastbarkeit, insgesamt 4 Mitarbeiter müssen den Einsatz frühzeitig abbrechen.

Die hohe Anzahl der verbrannten Opfer und deren Zustand und damit zusammenhängend die technisch schwierige Aufgabe der Erkennung der Opfer in der Brand/ Schmelzumgebung erfordern einerseits viel Erfahrung, Geduld und Präzision bei der Arbeit der Teams, andererseits hohe psychische Belastbarkeit. Die Teams werden alle 1 bis 2 Stunden ausgetauscht, anschließend betreut und eine längere Regenerationsphase in den Freizeitanlagen eines Hotels gewährt.

Die geborgenen Opfer werden mit den entsprechenden Dokumentationsvermerken in Leichensäcke gebracht und oberhalb der Zugsgarnitur den Einsatzteams des Bundesheeres übergeben. Diese übernehmen den Transport aus dem Tunnelsystem und weiter per Hubschrauber. Bergungsmaterial (Leichensäcke, Dokumentation etc) sowie Ausrüstung und Bekleidung werden während der Einsätze enorm beansprucht und halten zT den Anforderungen nicht stand. Der diesbezügliche Nachschub von den Zentralstellen funktioniert klaglos.

Die Einsatzkräfte der Gendarmerie werden am 11. 11. zur Erkundung der Lage von der Feuerwehr mit schwerem Atemschutz und entsprechender Schutzkleidung ausgerüstet. Ab 12. 11. sind die Tunneleinsatzkräfte mit Schutzhelmen des Alpindienstes, Atemschutzkappen bzw -masken für Mund und Nase, Stirnlampen und den Einsatzoveralls der Tatortteams ausgerüstet, später erfolgt die zusätzliche Ausrüstung durch alpine Schutzbekleidung.

Die lückenlose Durchsuchung der gesamten Unfallstelle nach Resten der Brandtorsos und möglicher noch erhalten gebliebener Effekten erweist sich aufgrund der Lage der ausgebrannten Garnitur und der massiv vorhandenen Brand- und Schmelzrückstände trotz aller Präzision als enorm schwierig, beinahe unmöglich. Aus dem angeführten Grund finden Nachsuchungen am 15. 11., 27. 11. und bei Bergung der Garnitur aus dem Tunnel statt.

Die geborgenen Opfer werden mit Hubschrauber direkt zum Flughafen Salzburg geflogen und von dort in das Gerichtsmedizinische Institut (GMI), Brandreste mit Verdacht auf Kontamination durch biologisches Material der Opfer wird direkt zum GMI transportiert.

UA Vermisste/Fahndung/Datenknoten

Dieser Abschnitt hat die Aufgabe, durch geeignete Ermittlungs- und Fahndungsmaßnahmen möglichst schnell Klarheit über die Identität der Opfer zu bekommen und damit die Basis für die Identifizierung der geborgenen Opfer durch das Gerichtsmedizinische Institut zu liefern, DNA-Vergleichsmaterial heranzuschaffen und den Kontakt mit Angehörigen und sonstigen Kontaktpersonen möglicher Opfer aufrechtzuerhalten. Erschwert wird diese Aufgabe durch die Größe des in Frage kommenden Personenkreises:

Der 11. 11. 2000 ist ein Samstag mit schönem Herbstwetter. Die Schneelage lässt den Skilauf nur in den Gletscherregionen zu. Ein hoher Andrang von Tagesgästen aus ganz Österreich, Bayern und umliegenden Regionen ist zu verzeichnen. Zusätzlich befinden sich - bedingt durch den wöchentlichen Wechsel der Touristen - sowohl die ab- als auch neu anreisenden Gäste der Beherbergungsbetriebe der Region auf dem Weg in das Skigebiet. Saisonbedingt fallen darunter viele trainierende Sportmannschaften. Hinsichtlich der Nationalität ist in der Hauptsache mit Gästen aus ganz Europa, den USA und Japan zu rechnen.

Die Personenbeförderung in die Gletscherregion läuft seit 8 Uhr parallel auf den zwei Bahnen im Hochbetrieb. Einschließlich der in der Gletscherregion übernachtenden Personen ist bei Brandausbruch mit einer Gesamtzahl von knapp über 2000 Personen in der Gletscherregion zu rechnen.

Erstmaßnahmen

Bereits ab 10.20 Uhr werden bei der Gemeinde Kaprun, später bei den Bergbahnen, beim Roten Kreuz in Zell am See und in Salzburg Hotlines für Angehörige eingerichtet. Parallel hierzu sind die Bezirksleitzentrale Zell am See, die Landesleitzentrale in Salzburg und der GP Kaprun laufend mit Anfragen konfrontiert.

Als Erstmaßnahmen wird von der KA eine eigene Datei auf dem GP Kaprun eingerichtet, die die gewonnenen Anfragedaten über mögliche Angehörige oder Kontaktpersonen der oben angeführten Serviceeinrichtungen zusammenführen soll. Hierzu werden Datenträger und Listen per Boten ausgetauscht. Eine Hotline zum GP Kaprun wird geschaltet und ab da an Tag und Nacht von Beamten betreut.

Parallell hierzu wird die EPIC/GAST München eingeschaltet und gebeten, Vermisstenanfragen aus dem deutschen und europäischen Raum zu übernehmen.

Gleichzeitig wird eine genaue Datenerfassung der in die Spitäler einglieferten Überlebenden der Katastrophe vorgenommen.

Ab 12.15 Uhr wird von Mitarbeitern des Roten Kreuzes mit Unterstützung der Gendarmerie begonnen, die Daten der aus dem Skigebiet Evakuierten und Rückreisenden zu erfassen. Diese Liste wird mit Hilfe von Beamten des angeführten Abschnittes, hinzugezogenen Kräften des KKD/Fahndung und Freiwilligen aus der Gemeinde Kaprun auf Datenträger erfasst und ins Internet gestellt. Diese Maßnahme erbringt eine deutliche Beruhigung der Anfragehektik und ermöglicht zielgerichteteres Befragen tatsächlich möglicher Angehöriger oder Kontaktpersonen von möglichen Betroffenen.

Das oben angeführte Personal wird anschließend zur Zusammenführung der aus verschiedensten Erfassungen stammenden Daten in eine einheitliche Vermisstenliste mit bestimmten Parametern verwendet. Hierzu erfolgt der permanente Datenaustausch mit den Erkenntnissen der GAST München.

In diesem Abschnitt werden ab 11. 11., 14.50 Uhr, drei Beamte der PD Traunstein/ Bayern vor Ort integriert, die für Ermittlungsarbeiten in Deutschland benötigt werden.

Zur technischen Bewältigung werden zunächst das Netzwerk der Schulabteilung nach Kaprun transferiert, später dann leistungsfähigere Notebooks aus den Schengenfahrzeugen ausgebaut und aus Privatbeständen ausgeliehen.

Die dienstlich zur Verfügung gestellte EDV erweist sich nur in Einzelfällen als ausreichend. Überwiegend mangelt es an der Zahl mobiler Geräte, an deren Kapazität und an der Unmöglichkeit der Verwendung fremder Datenträger.

BAKS auf den GP ist für Einsätze dieser Art nicht geeignet. Es können keine externen Daten geladen oder Daten weitergegeben werden. Der Einstieg ist nur dienststelleninternem Personal möglich. Der Einstieg ins Internet ist nicht möglich, während des Einsatzes jedoch laufend erforderlich.

Durch permanenten Datenabgleich und Befragung Angehöriger und Kontaktpersonen möglicher Betroffener sowie betroffener Vertretungsbehörden in Österreich rund um die Uhr gelingt es bis 13. 11., 12 Uhr, eine Liste von 155 +4 möglicher Opfer mit etwa 95%iger Sicherheit zu erstellen, am 17. 11. 2000 steht intern die Opferzahl von 155 fest.

Sobald eine 90%ige Sicherheit vorhanden ist, befragen Ermittlungsteams die Angehörigen oder Kontaktpersonen des möglichen Opfers, bieten Information an und stellen DNA-Vergleichsmaterial sicher. Überregional oder international werden die Heimatdienststellen der Betroffenen kontaktiert, in die psychologischen und ermittlungstaktischen Notwendigkeiten eingewiesen und so die ergänzenden Daten und Materialien herangeschafft.

Die beschriebene Arbeit rund um die Uhr stellt eine enorme psychische Belastung für die Mitarbeiter an den Telefonen dar. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind die Basis für die Identifizierung durch die Gerichtsmedizin.

Brandursachenermittlung

Mit der Brandursachenermittlung sind neben der Kriminalabteilung Salzburg die KTZ und Sachverständige aus dem In- und Ausland beteiligt. Da es sich derzeit noch um ein offenes Gerichtsverfahren handelt, wird auf näherer Ausführungen verzichtet.

Das Ermittlungsergebnis wird vermutlich in der ersten Jahreshälfte 2001 vorliegen.

 

Ordnungs-, Verkehrs- und Alpindienst

Das Bezirksgendarmeriekommando und die ihm zugewiesenen Kräfte (ua die Einsatzeinheit Salzburg) stehen vor der schier unlösbaren Aufgabe die Ordnung im Einsatzgebiet zu gewährleisten.

Die verkehrstechnische Bewältigung des Einsatzes wird von Beginn an von dem Konzept der Sperre des Talschlusses ab Kaprun getragen, um den zahlreichen Einsatzkräften und -geräten im Einsatzraum Berg die freie und gefahrlose Bewegung zu garantieren. Die diesbezüglich von Beginn an ergriffenen Verfügungen werden konsequent umgesetzt und bis 18. 11. 2000 aufrechterhalten.

Während der gesamten Einsatzzeit muss der Verkehrsfluss im Ortsbereich Kaprun aufrechterhalten werden.

Die weiteren Aufgaben sind zahlreich und könne hier nur kurz angerissen werden:

o Absicherung der Unterkünfte Führungsstab und Angehöriger von Vertretungsbehörden vor Ort, Krisenzentrum (Angehörigenbetreuung), Sperrgebiet (Einsatzzone Berg), fallweise vor Schulen und im Ortszentrum.

o Personenschutz für anwesende Regierungsmitglieder und bei Pressekonferenzen sowie von Betriebsangestellten bei anonymen Drohungen.

o Am 11. 11. wird durch den Verkehrsdienst mit dem Roten Kreuz die Erfassung der aus dem Skigebiet strömenden bzw evakuierten Personen bewältigt.

o Alpindienst: Bergungs- und Ermittlungsarbeiten zu Beginn des Einsatzes, anschließend Sicherungsaufgaben im alpinen Gelände.

Psychologische und medizinische Betreuung/Verpflegung

Die Betreuung der Einsatzkräfte wird unter Anleitung des Psychologischen Dienstes des BMI von "Posttraumata-Betreuern" des LGK für Salzburg und Tirol. Sie wird vor Ort für die aus dem Stolleneinsatz zurückkehrenden Tatortgruppen in einem beheizten Mannschaftszelt mit voller Verpflegung sowie in den Abendstunden in der Unterkunft (Hotel) angeboten. Für Regenerationszwecke stehen die Hoteleinrichtungen (Sauna etc) zur Verfügung. Die Nachbetreuung der Einsatzkräfte erfolgt ab Ende November in den einzelnen Bundesländern und ist noch im Gange.

Von verschiedenen Einsatzorganisationen werden zu Einsatzbeginn Messungen im Stollen vorgenommen. Aufgrund der Kaminwirkung erfolgt rasche und permanente Frischluftzufuhr. Ab 12. 11. wird der Stollen aufgrund der Messergebnisse für die Begehung mit Atemschutzmasken freigegeben. Am dritten Einsatztag im Tunnel werden Atemluftkontrollen vorgenommen, die erhöhte, jedoch keine besorgniserregenden Messwerte ergeben.

Eine Woche nach dem Einsatz beginnt die medizinische Nachbetreuung unter Leitung der Arbeitsmedizin Salzburg. Die Erstanalysen der Proben ergeben erhöhte, jedoch nicht außergewöhnliche Werte, die Nachproben zeigen wieder normalisierte Werte.

 

Presse

Die Katastrophe von Kaptun weckt das Medieninteresse der ganzen Welt. Die Gendarmerie geht daher gemeinsam mit dem Landespressebüro den Weg einer aktiven Informationspolitik.

Im Einsatzstab wird der Leiter der Stabsabteilung mit der Koordination der Medienarbeit betraut. Es erweist sich als unumgänglich, dass Fachkräfte den Medien über Einsatzziele und Bedingungen Auskunft erteilen. Hinsichtlich der strafprozessualen / ermittlungsrelevanten Medienarbeit wird vom Einsatzstab mit der Staatsanwaltschaft permanent Rücksprache gehalten.

Das Landespressebüro übernimmt die allgemeine Medienbetreuung für mehr als 700 Medienleute aus der gesamten Welt. Eine Sporthalle wird angemietet, Übersetzerdienste in 7 Sprachen und Verpflegung rund um die Uhr angeboten.

Die Medienarbeit wird im Rahmen der Führungsstabssitzungen koordiniert. Die Presse wird regelmäßig mit Informationen anhand von Pressekonferenzen bedient. Wichtige Informationen - auch jene des Gendarmerieeinsatzes - werden via Landespressebüro in das Internet abrufbar gestellt.

Einem ORF-Kamerateam und einem Fotografen des Landespressedienstes werden im gesamten Einsatzbereich unter Führung der Gendarmerie Aufnahmen ermöglicht, diese werden vom Einsatzstab gesichtet und anschließend allen Medien zur Verfügung gestellt.

Die professionelle Medienarbeit von Gendarmerie und Landespressebüro wird von den anwesenden Reportern besonders gewürdigt.

Linienorganisation und Zentralstellen

Die Linienorganisation der Gendarmerie (vom Gendarmeriezentralkommando, über die Landesleitzentrale bis hin zur Bezirksleitzentrale) erweist sich selbst in den ersten, hektischen Einsatzstunden als sehr leistungsfähig.

Die notwendigen Maßnahmen werden soweit als möglich rasch gesetzt, ein Überblick über die Lage ist schnell gefunden und Information an die relevanten Führungsstellen unverzüglich verteilt. Notwendige Verstärkungen und Nachschub werden rasch zugeführt.

 

Schlussworte

Das war ein sehr geraffter Überblick über den Großeinsatz in Kaprun, der aber ohne dieses Schlußwort nicht vollständig wäre.

Ein Einsatz solcher Dimension ist nur möglich, wenn alle Beteiligten mit vollem Einsatz an einem Strang ziehen. Das war in Kaprun ausnahmslos der Fall - unsere Beamten haben bis zum Umfallen gearbeitet. Auf Ministeriums- und Regierungsebene wurden die Einsatzkräfte spürbar moralisch unterstützt.

Stellvertretend für alle Gendarmen möchte ich mich besonders bei Brigadier Ernst Kröll, Oberst Albert Struber, Oberstleutnant Ernst Grill, Major Arno Kosmata, Major Richard Schiefer, Hauptmann Harald Hofmann und Hauptmann Gottfried Gamsjäger bedanken. Ohne ihren Einsatz und das absolute Vertrauen, das zwischen diesen geherrscht hat, wäre der erfolgreiche Abschluss des Großeinsatzes Kaprun nicht möglich gewesen.

 

Kaprun - Das Einsatzvideo

Während des Einsatzes erfolgt eine Video- und Fotodokumentation des Gendarmerle-Filmdienstes, unterstützt durch routinemäßige Dokumentationsarbeiten der KA Salzburg. Dieses Material wurde nach Sichtung zum Teil den Medien zur Verfügung gestellt.

Eine filmische Einsatzdokumentation wird Mitte März 2001 zur Verfügung stehen und kann dann von allen Dienststellen angefordert werden.

Am 11. November 2000 ereignete sich die größte Unfallkatastrophe in Österreich.

155 Menschen kamen beim Seilbahnunglück auf dem Kitzsteinhorn in Kaprun ums Leben, nur 12 Personen konnten sich retten.

Ab Samstag Mittag befanden sich die ca 1000 Einsatzkräfte von Rettung, Bundesheer, Feuerwehr und Gendarmerie im Einsatz. Aufgrund der starken Rauchentwicklung und der giftigen Abgase war der Tunnel erstmals am Sonntag ohne schweren Atemschutz begehbar.

Am Sonntag wurde die Unterstützung der Beamten der Tatortgruppe OÖ der Einsatzleitung angeboten.

Am Montag, 13. November 2000, wurde die Tatortgruppe OÖ um 8 Uhr telefonisch von der KA Salzburg angefordert. Die Kollegen Kepic und Zauner meldeten sich freiwillig für diesen Einsatz. Sie wurden von der IMV für den bevorstehenden Einsatz mit Alpinbekleidung ausgerüstet.

Um 12.30 Uhr trafen die Beamten bei der hermetisch abgesperrten Einsatzzentrale nahe der Talstation des Unglückstunnel ein.

Für die Tatbestandsaufnahme waren insgesamt 28 Beamte der Tatortgruppen Salzburg (KA und KTU), NO, Stmk, Tirol und OÖ eingesetzt.

Die Aufgabe der Tatortteams bestand darin, die Leichen beschreiben, markieren, vermessen, fotografieren und sachgemäß zu bergen. Das Team setzte sich aus 3 Beamten der Tatortgruppe Stmk, 2 Beamten der Tatortgruppe Salzburg und 2 Beamte der Tatortgruppe OÖ zusammen.

Um 14 Uhr ging der Einsatz für das Team OÖ los. Sie wurden mit einem Bundesheer-Hubschrauber zum sog. Leichenbergeplatz, nahe des Versorgungsstollens der Mittelstation, geflogen. Zu diesem Zeitpunkt war das erste Mal die Aufregung zu spüren. Der Flug erfolgte bei starkem Föhnsturm. Die Hubschrauberpiloten bei diesem Einsatz bewiesen einmal mehr ihr Können und fliegerisches Fingerspitzengefühl, denn sie mussten unter den Seilbahnseilen durchfliegen und landeten anschließend am Abgrund eines Plateaus (nur die Hälfte der Kufen war auf dem Boden aufgesetzt).

Beim Landeplatz wurde eine Versorgungsstelle des Bundesheeres in einer Jagdhütte eingerichtet. Dort warteten die Kollegen bis das Tatortteam, das bereits im Tunnel arbeitete, den Abstieg bekanntgab.

Nach einer halben Stunde ging es los. Durch einen 800 Meter langen Versorgungsstollen gelangten sie, ausgerüstet mit Helm, Stirnlampe, Staubmaske, DNA-Overall und Rucksack, in den Tunnel zur Mittelstation. Nun mussten sie 700 Meter bergab zum Unglückszug über 2800 Rostgitterstufen, die durch die 1,öscharbeiten und den vorhandenen Rußablagerungen äußerst glitschig waren, absteigen. Je näher sie dem Unglücksort kamen, desto stärker wurde der Brand- und Leichengeruch. Die meisten Opfer lagen vor dem Zug und bis 40 Meter in Richtung Mittelstation.

Der erste Eindruck war unvorstellbar, die Opfer lagen aufeinander auf der verschmolzenen Stiege und auf den Schienen. Zum Teil waren nur mehr verkohlte Torso ersichtlich.

Die nun folgenden Stunden werden von den eingesetzten Beamten unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt.

 

Um nämlich die sterblichen Oberreste bergen zu können, musste aufgrund der sehr engen Platzverhältnisse auf die Leichen gestiegen werden. Das Gefühl, bei der Durchführung der ohnehin schon sehr konzentrierten Tätigkeit, statt festem Bodenuntergrund auf zwei, drei aufeinanderliegenden Leichen zu stehen, lässt sich mit Worten nicht mehr beschreiben. Diese Eindrücke und die damit verbundenen emotionalen Empfindungen werden die beiden Beamten der Tatortgruppe OÖ ihr ganzes Leben begleiten.

Der vordere Bereich des Zuges war bis auf die Bodenplatte ausgebrannt und im hinteren Teil war nur ein Waggongerippe ersichtlich. Die Beamten brauchten einige Minuten um diesen furchtbaren Eindruck zu verarbeiten, bevor sie mit der Arbeit begannen. Das größte Problem war, einen sicheren Standplatz im 45 Grad steilen Tunnel und zwischen den Leichen zu finden.

Es war alles sehr eng und der vorhandene Luftzug, der sog. Kamineffekt, stark zu spüren. Zwischendurch hört man immer wieder die Geräusche von herunterbröckelnden Steinen. Die stark verkohlten Leichen waren zum Teil derart miteinander verschmolzen, das sie nur mit viel Mühe und entsprechendem Werkzeug getrennt werden konnten.

Nach der Dokumentation wurden die mit Nummern gekennzeichneten Leichen in spezielle Säcke verstaut, den Bundesheerbeamten übergeben und von diesen zum Hubschrauber verbracht.

Nach ca 2 Stunden intensiver Arbeit mußte Koll. Kepic und sein Team den Tunnel fluchtartig verlassen, da aufgrund stark abbröckelnder Steine von der Tunnelwand, der Tunnel vom zuständigen Geologen vorübergehend gesperrt wurde.

Nun ging es wieder ca 2700 Stufen bergab, bis endlich der Tunnelausgang erreicht wurde. Das letzte Stück, eine ca 600 Meter lange Trasse in 70 Meter Höhe die zur Talstation führt, mussten sie noch überwinden. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits dunkel und der Föhnsturm hatte kräftig zugelegt. Bei den letzten Stufen wurden alle von Sanitätern und Psychologen empfangen und mit Essen und Trinken versorgt. Die Erleichterung, sich von den mit Blut und Ruß verschmutzten Overalls und Handschuhen entledigen zu können, war den Beamten ins Gesicht geschrieben.

Um 23 Uhr fand für diesen Tag die letzte Einsatzbesprechung im Hotel statt und daran anschließend die wohlverdiente Bettruhe. Die wenigsten konnten aber einschlafen, zu sehr beschäftigte sie noch das Gesehene und das erlebte Grauen.

Am nächsten Tag um 7 Uhr begann der Einsatz (mit starkem Muskelkater) von neuem und dauerte bis Donnerstag Mittag, zu diesem Zeitpunkt wurde endlich die letzte Leiche geborgen.

In der 7- bzw 17-jährigen Tätigkeit als Spurensicherer haben die beiden Beamten der Tatortgruppe OÖ noch nie einen Einsatz erlebt, der derart an die Grenzen ihrer körperlichen und psychischen Belastung gegangen ist. Zum Schluss möge noch die Hochachtung an alle beteiligten Kollegen ausgesprochen werden, jeder hat sein Letztes gegeben, um die Arbeit so schnell wie möglich und zur Zufriedenheit aller zu erledigen. Besonderes Lob gilt auch der Einsatzleitung, die in allen Belangen die eingesetzten Beamten voll unterstützt haben. Jeder Beamte konnte frei entscheiden, wie lange er noch bleiben bzw ob er noch einmal in den Tunnel gehen wolle.

                                                                       GrInsp Sebastian

 

Sicherheitspolitik im Land Salzburg

 

Sicherheitspolitisch befindet sich Salzburg in Europa in einer interessanten Lage. Im Herzen Europas haben sich, nach der Öffnung der Grenzen, neue Anforderungen an die Exekutive gestellt. Mit den bayerischen Kollegen wird nun gemeinsam die Staatsgrenze überwacht.

Salzburg ist nach Wien die Stadt mit den meisten Besuchen von Politikern und Repräsentanten aus der ganzen Welt. Allein das heuer im Juli stattfindende World Economic Forum stellt besondere Anforderungen an die Exekutive.

Als Landeshauptmann von Salzburg kann ich mich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Exekutive in der Sicherheitsdirektion, der Sicherheitswache, der Bundespolizei und der Gendarmerie verlassen. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen und mich bei allen Kolleginnen und Kollegen der Sicherheitsexekutive für ihren hervorragenden Einsatz recht herzlich bedanken.

Die Sicherheit der Salzburgerinnen und Salzburger und unserer Gäste ist ein Ziel, das nur gemeinsam erreicht werden kann. Bei der Katastrophe in Kaprun sind besondere Anforderungen an alle Einsatzorganisationen und Behörden gestellt worden. Gemeinsam konnten diese Anforderungen bewältigt werden. Ich lade Sie daher ein, auch weiterhin im Dienste der Menschen so hilfreich tätig zu sein.

Ihr

                       Dr. Franz Schausberger

                       Landeshauptmann von

                        Salzburg

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