Gutachten im Gegensatz
9. Jänner
2004 | 10:00
Zu einer Art
Konfrontation zwischen "altem" und "neuem" Gutachten zur
Frage des Heizlüfter-Brandes kam es am Donnerstag im Kaprun-Prozess.
SALZBURG
(SN-res).
Bereits im
November 2002 ist der ursprüngliche Brandsachverständige im Kaprun-Prozess,
Anton Muhr, krankheitshalber aus dem Salzburger Verfahren ausgeschieden und im
Jänner v. J. durch ein Team rund um den neuen Brandgutachter Helmut Prader
ersetzt worden. Dennoch standen am Donnerstag wesentliche Behauptungen aus dem
Muhr-Gutachten im Mittelpunkt des Schlussteiles der Beweisaufnahme. Es kam
dabei zu einer Art "Konfrontation" zwischen "Gutachten alt"
und "Gutachten neu", als das Gericht den seinerzeitigen Mitarbeiter
Muhrs im Fall Kaprun, den Stuttgarter Maschinenbauingenieur Thomas Lange, als
Zeugen hörte.
Beantragt
hatte ihn Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat. Sie hat ihren Strafantrag gegen
16 Beschuldigte wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst bzw.
fahrlässiger Gemeingefährdung ja wesentlich auf Erkenntnissen aufgebaut, wie
sie der seinerzeitige Gutachter Muhr beschrieben hatte:
Auch er war -
wie das neue Gutachter-Team - von einem Brand des in einen Holzverbau
integrierten Heizlüfters im Talwagen des Unglückszuges als Ursache der
Katastrophe ausgegangen. Allerdings sahen Muhr und auch sein Mitarbeiter Thomas
Lange - dies wurde einmal mehr in der Zeugenvernehmung offenbar - den Kern für
den Heizlüfter-Brand in Überhitzung, verbunden mit schadhaften
Hydraulik-Messleitungen, aus denen - schon vorher - rötliches Hydrauliköl
ausgetreten sei.
Helmut Prader
und Gutachter-Kollegen schieden zunächst durch Analysen sämtliche anderen
möglichen Brandquellen (technische Gebrechen, Elektrik, Brandstiftung,
glimmende Zigarettenreste) aus, schätzten das Bersten von Rohrleitungen als
"Sekundärschaden" infolge der Brandeinwirkung ein und kamen zum
Ergebnis: Der Brand im Heizlüfter entstand mit größter Wahrscheinlichkeit durch
einen Material-/Produktionsfehler im Gerät selbst. Durch defekte Aufhängungen
von Ventilator und Heizstern sei es zu einer "Torkelbewegung"
gekommen, der glühende Heizstern habe die Rückwand des Kunststoffgehäuses
berührt, die Leitungen seien geplatzt und durch das - erst dann - austretende
Öl habe sich der Brand rasend schnell ausbreiten können.
Im
Strafantrag, der auf dem ursprünglichen Muhr-Gutachten basiert, werden u. a.
zwei Verantwortlichen der Gletscherbahnen "Wartungs- und
Überprüfungsmängel des verunreinigten Heizkörpers" angelastet; so seien
"bereits seit längerer Zeit sich abzeichnende brandauslösende Spuren am
Heizkörper und im Umgebungsbereich unentdeckt" geblieben (gemeint:
Ölspuren). Zwei Technikern der Wagenbau-Firma wird der Einbau des
"ungeeigneten" Heizlüfters in einem unzureichenden Abstand zu den
Hydraulikmessleitungen vorgeworfen, Letzteres auch drei Monteuren der
Hydraulik-Firma. Ein Verstoß gegen ihre Prüfpflichten wird fünf
Überprüfungsorganen angelastet.
Thomas Lange,
ehemaliger Mitarbeiter des ausgeschiedenen Gutachters Muhr, erklärte: Er und
Muhr hätten den aus dem erhalten gebliebenen Vergleichszug ausgebauten
Heizlüfter untersucht. Sie hätten dabei innen und außen am Gerät und auch an
einer Messleitung "rötliche Anhaftungen und faserige Rückstände"
festgestellt. "Unsere Erklärung war, dass Öl über die Messleitung in den
Heizlüfter gelangt ist. Das war auch technisch für uns nachvollziehbar."
Konkrete Untersuchungsergebnisse, ob dies tatsächlich Hydrauliköl war, habe er
allerdings nicht.
"Rötliche
Anhaftungen" unklarer Beschaffenheit
Einer der
Verteidiger, RA Wilfried Haslauer, hielt dem Zeugen daraufhin vor, dass auf den
Fotos, die von der Kriminaltechnischen Zentralstelle (KTZ) vom Heizlüfter
gemacht wurden, keine derartigen Anhaftungen erkennbar seien. Der Zeuge darauf:
Er habe selbst Fotos gemacht, wo diese Anhaftungen erkennbar seien.
Daraufhin
wurden ihm Bilder gezeigt, die er zwar nicht als seine eigenen identifizieren
konnte; doch der Zeuge erklärte, Fasern zu erkennen, "die augenscheinlich
an Öl anhaften". Gutachter Helmut Prader, dazu befragt, blieb skeptisch:
"Es sind rötlichbraune Antragungen da. Was das aber wirklich ist, kann ich
nicht beurteilen."
Zu Beginn
hatte Richter Manfred Seiss den weiteren Prozess-Fahrplan bekannt gegeben:
Plädoyers von 20. bis 22. Jänner, Schlussworte der Beschuldigten am 18.
Februar, Urteil am 19. Februar. Bemerkenswert: Weitere Anträge unterblieben,
bereits frühere gestellte Anträge wurden zurückgezogen.