Kaprun "Vorwürfe widerlegt"
22. Jänner
2004 | 10:00
Ein
"nicht voraussehbares, schicksalhaftes Ereignis" und keine Verstöße
gegen Sorgfaltspflichten: So sieht die Verteidigung die Katastrophe von Kaprun.
SALZBURG
(SN-res).
Die
Brandkatastrophe der Kapruner Standseilbahn mit 155 Toten sei "eine nicht
vorhersehbare, geradezu absurde Verkettung von Unglücksmomenten" gewesen,
ein laut Sachverständigen "unheimlicher Zufall", ein "dem
Geheimnis des Lebens und der Rätselhaftigkeit seines Vergehens"
unterworfener "Schicksalsschlag": Mit diesen Worten suchte am
Mittwoch die Verteidigung der 16 Beschuldigten die Tragödie aus ihrer Sicht
fassbarer zu machen.
Wenn sich
Staatsanwältin Eva Danninger tags zuvor "ohne Zweifel" von Sorgfaltsverstößen
der angeklagten Verantwortlichen der Gletscherbahn sowie der Techniker,
Monteure und Prüforgane überzeugt gezeigt habe, müsse man - so etwa Verteidiger
RA Wilfried Hauslauer für den beschuldigten GBK-Betriebsleiter Günther B. - dem
entgegenhalten: "Offenbar darf es in unserer hoch technisierten Welt kein
Unglück ohne Fehler, Schlamperei und Leichtsinn, ohne Schuldige, geben - und
doch gibt es das, wie dieses Verfahren gezeigt hat: Denn auf dieser Anklagebank
sitzt kein Schuldiger."
Bevor die
Anwälte erläuterten, warum sie von der Unschuld ihrer Mandanten überzeugt
seien, attackierten sie die Staatsanwältin wegen angeblich mangelnder
Objektivität. Man habe das Vorverfahren "unnötig durchgepeitscht", es
habe einen "geradezu unglaublichen, einseitigen Umgang mit
Beweismitteln" und "Schlampigkeit der Erhebungsorgane" gegeben.
Die Kritik traf die Justiz ebenso wie den krankheitshalber ausgeschiedenen
Brandgutachter Anton Muhr und die KTZ im Innenministerium.
Generell aber
gelte, so RA Wolfgang Brandstetter als Verteidiger des GBK-Direktors Ing.
Manfred M.: "Die Vorwürfe im Strafantrag sind in sich zusammengebrochen
und eindeutig widerlegt." Sein Mandant sei nicht im Zweifel, sondern wegen
"erwiesener Unschuld" freizusprechen. Wenn es heute strenge Brandnormen
für Seilbahnen gebe, so sei dies die Folge von Kaprun - aber diese Normen dürfe
man nicht zu Lasten der Beschuldigten auf die Vergangenheit anwenden: Denn die
Ausstattung der Bahn, die seinem Mandanten angelastet werde, habe sehr wohl dem
damaligen Stand der Technik entsprochen. In der gesamten Fachwelt sei man
damals davon ausgegangen, dass ein Brand in einer Standseilbahn unmöglich sei.
Niemand habe eine solche Katastrophe voraussehen können, von einer objektiven
Sorgfaltswidrigkeit des GBK-Direktors könne keine Rede sein. Was den die
Tragödie auslö-senden Heizlüfter im Führerstand der Bahn betreffe, so habe sich
Ing. Manfred M. laut arbeitsteiligem Prinzip auf die Gewährleistung des
Sicherheitsstandards durch die Fa. Swoboda verlassen dürfen, die den
Wagenaufbau und den Einbau des Gerätes besorgte.
Verteidiger
RA Hauslauer betonte, man könne vom angeklagten GBK-Betriebsleiter Günther B.
nicht verlangen, "hellseherischer" zu sein als die gesamte Fachwelt,
die einen Seilbahnbrand ausgeschlossen habe. Der eingebaute Heizlüfter sei
"für sich genommen unauffällig" gewesen. Der fatale Produktionsfehler
des Gerätes, der zu dessen Entzündung führte, sei nicht erkennbar gewesen und
damit eben auch kein Gefahrenpotenzial, das sich ja erst in "schicksalhafter
Entwicklung" realisiert habe.
Die
Sachverständigen hätten die Vorwürfe im Strafantrag widerlegt. Man könne wohl
nicht von einem Betriebsleiter mit 120 Mitarbeitern verlangen, sich persönlich
um einen Heizlüfter zu kümmern.
RA Peter
Lechenauer vertritt mit RA Rene Musey den technischen Leiter der Firma Swoboda
(Wagenaufbau), Ing. Robert V., und den Projekttechniker Ing. Günther P.
Lechenauer führte Folgendes ins Treffen: Die Konstruktion habe dem damaligen
Stand der Technik entsprochen. Da der Unglückszug verbrannt sei, habe man an
der erhalten gebliebenen Garnitur nur eine "Vergleichsbefundung"
durchführen können. Bereits geringe Differenzen ließen aber andere Brandabläufe
und auch -ursachen zu, etwa einen elektrischen Zündfunken. Gehe man wie die
Gutachter vom Heizlüfter-Einbau aus, so habe die Firma Swoboda jedenfalls nicht
dessen Elektroanschlüsse besorgt. Er halte es insgesamt für unverständlich, so
Lechenauer, dass nicht auch Vertreter der Firma Siemens auf der Anklagebank
säßen.
Heizlüfter-Fehler
"nicht erkennbar"
Den
Heizlüfter hätten seine Mandanten nicht selbst besorgt, der Einbau sei durch
einen Facharbeiter erfolgt. Keine Norm besage, dass der Einbau eines
Heizlüfters aus Kunststoff sorgfaltswidrig sei, auch nicht in Fahrzeuge - das
stehe nur in der Betriebsanleitung, die seine Mandanten gar nicht kannten, und
überdies sei ein Schrägaufzug kein "Fahrzeug". Den fatalen
Produktionsfehler des Gerätes hätten seine Mandanten nicht erkennen können und
er liege überdies "außerhalb jeder vom Erwerber dieses Gerätes zu
beachtenden Sorgfaltserfordernisse".
Die Reihe der
Plädoyers wurde am Nachmittag fortgesetzt.