Salzburger Nachrichten
06. Juli 2002 | 11:00
Schwarzer Qualm tödlich
Unter den 155 Opfern in Kaprun waren auch drei, die durch aufsteigende Rauchgase im Alpin-Center starben. Strafantrag sieht auch hier Fahrlässigkeit.
SALZBURG (SN-res).
Als am Morgen des 11. November 2000 die ersten Rauchschwaden aus dem Tunnel der Kapruner Gletscherbahnen, wo der Zug in Brand geraten war, nach oben ins Alpin-Center auf dem Kitzsteinhorn drangen, liefen Angestellte der GBK nicht nur um ihr eigenes Leben: Der Betriebsleiter zwängte die Brandschutzschiebetür der Liftschleuse auf, um alle noch in der Bergstation befindlichen Leute zu vertreiben, während der Maschinist rasch nachsehen wollte, ob sich auf den Toiletten-Anlagen noch jemand befinde. Er kam in den Rauchgasen ebenso um wie zwei weitere Personen.
Den Grund dafür sieht Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat darin, dass die tödliche Wolke durch die in teilweise geöffneter Stellung verbliebene Brandschutztür eindringen konnte. Der 37-jährige Franz L., technischer Leiter einer Tür-System-Firma, habe es unterlassen, eine Steuerung einzubauen, die nach einer Öffnung selbsttätig einen weiteren Schließvorgang durchführt. Vorwürfe seien auch gegen zwei Kontrollorgane zu erheben: Der 51-jährige Karl A. habe als für Bauabwicklung und Bauaufsicht bei den Arbeiten am Alpin-Center verantwortliche Person nicht für eine ordnungsgemäße Ausführung der Brandschutztür gesorgt und die Bahn in Betrieb gehen lassen, indem er trotz dieser Mängel eine Vollendungsanzeige an die Gemeinde Kaprun ausstellte. Der 34-jährige Ziviltechniker Johann P. habe die Brandschutztür als Prüforgan trotz dieser Mängel abgenommen. Deshalb hätten sich alle drei der fahrlässigen Gemeingefährdung schuldig gemacht.
Am Freitag wurde die Vernehmung der 16 Beschuldigten im Kaprun-Prozess mit der Befragung zum Thema "Brandschutztüre" abgeschlossen. Wie auch schon die 13 Beschuldigten vor ihnen bekannte sich keiner der drei schuldig. Bereits Donnerstagabend hatte der Techniker der Türbau-Firma jede Verantwortung von sich gewiesen: Die Tür habe dem Baubescheid und der Ö-Norm entsprochen, die weder vorsehe, dass sich eine derartige Brandschutztür mehrfach schließen müsse, noch, dass eine elektromagnetische Verriegelung angebracht werden müsse. Der beschuldigte Baumeister meinte, "nach dem Hausverstand" sei zwar für ihn klar gewesen, dass sich so eine Tür nach dem Öffnen wieder schließen müsse: "Liest man aber die Ö-Norm genauer, kann man davon ausgehen, dass sie sich nur einmal schließen muss."
Er habe lediglich die Funktion der Tür und den Schließmechanismus geprüft, erklärte der Beschuldigte weiter. Es wurde in Richtung eines Stromausfalles, nicht aber in Richtung eines Brandfalles geprüft. Rauchmelder seien noch nicht montiert gewesen, was er auch beanstandet habe, so der Beschuldigte. "Was soll eine Brandschutztür dann für eine Funktion erfüllen, wenn das alles nicht geprüft wurde?", fragte die Staatsanwältin. Er habe sich auf Prüfatteste der ausführenden Firma und eines ziviltechnischen Büros verlassen und sei "der Meinung" gewesen, dass die Rauchmelder zu diesem Zeitpunkt schon angebracht seien, antwortete der Beschuldigte. Im Übrigen sei diese Tür auch nicht als "Fluchttür" auszuführen gewesen.
Zum Vorwurf, er habe die Bahn trotz dieser Mängel per Bauvollendungsanzeige "in Betrieb gehen lassen", stellte er fest: "Ich war für diese Bauvollendungsanzeige gar nicht zuständig, sondern der Bauführer. Und die Bahn ist während der Umbauarbeiten im Alpin-Center laufend in Betrieb gewesen. Ich hatte in keiner Weise Befugnis, die Bahn einzustellen."
Der Ziviltechniker, der letztlich die Tür geprüft hatte, berief sich ebenfalls auf die Ö-Norm, die ein mehrmaliges Schließen nicht vorsehe. Sein Prüfungsumfang sei die Kontrolle der Tür gewesen, wenn der Strom ausfällt - einen Auftrag oder eine Befugnis in Richtung Brandschutzsicherung habe er nicht gehabt.
Der Prozess wird am Montag mit der Vernehmung der ersten Zeugen fortgesetzt.
Das "Rondo" im Kaprun-Prozess
RONALD ESCHER
Wie lauten die Erkenntnisse eines unbefangenen Beobachters nach Ende der Vernehmung der 16 Beschuldigten im Kaprun-Prozess?
Erstens: Niemand meint, fahrlässig gehandelt zu haben.
Zweitens: Folgt man den Aussagen, so kreisten alle Überlegungen immer nur um "Seilbahntechnik" und "Funktion" - aber es gibt unter den Beschuldigten keinen, der sich für Brandschutz zuständig oder verantwortlich fühlte.
Drittens: Die unglücklichen Passagiere konnten sich deshalb nicht rechtzeitig selbst helfen - durch Türöffnung von innen, Nothämmer, Sprechkontakt mit dem Fahrer usw. -, weil für Seilbahnen das "Prinzip der Fremdbergung" gelte. Und ein Brandausbruch in der Bahn war nicht einkalkuliert.
Die leitenden Köpfe der Betreibergesellschaft, der GBK, erklären: Man habe sich darauf verlassen können, dass ein Brand bei einer Standseilbahn ausgeschlossen sei; jede Vorschrift sei eingehalten, die behördliche Genehmigung erteilt worden; man habe sich beim Neuaufbau der Bahn 1994 auch auf "Firmen von Weltruf" stützen können.
Die Vertreter der Errichterfirma Swoboda wiederum sagen: Man habe sich darauf verlassen, dass Lieferfirmen nur das beste Material beistellen; selbst habe man nach dem "Stand der Technik" gebaut; in der "arbeitsteiligen Welt" dürfe man auf den anderen vertrauen. "Die Branche" habe einen Brand ausgeschlossen. Den brisanten Heizlüfter habe man zwar montiert, von der Art der Hydraulik-Leitungsverlegung durch die Firma Rexroth habe man aber nichts gewusst.
Deren Monteure sehen das umgekehrt: Ein Heizkörper sei nicht da gewesen, daher kein Verschulden: "Die Hydraulik allein ist kein Problem."
Die fünf Prüfer des Verkehrsministeriums und des TÜV sagen: Ihre Kompetenzen hätten sich zwar auf Seilbahn- und Elektrotechnik, nicht aber auf Brandschutz bezogen. Möglichkeiten zur Selbstbefreiung der Passagiere in einer Seilbahn widersprächen dem "Prinzip der Fremdbergung", ein "Gefährdungsbild Brand" habe es nicht gegeben.
Auch jene drei Beschuldigten, denen fatale Folgen durch eine mangelhafte Brandschutztür im Alpincenter angelastet werden, sagen: Alles laut Ö-Norm und Baubescheid, und ihre Sorgfaltspflicht habe Grenzen - gerade bei einem "schicksalshaften Ereignis".
Resümee der Aussagen: Hö-here Gewalt. Keine Zuständigkeit. Auf Experten, die so eine Brandkatastrophe ausschlossen, habe man vertrauen können. Allfällige Verantwortung in Detailbereichen treffe höchstens andere, aber auf "die anderen" habe man sich selbst verlassen können.
Diesem Aussage-Rondo hielt die Staatsanwältin die Frage entgegen: "Wie konnten Sie sich dessen so sicher sein?" - Eine Frage, die ihre Vorwürfe auf den Punkt bringt.