salzburg.orf.at
15. Juli 2002

Einvernahmen zu Bergeübungen und Transporten
Wegen der Unterbrechung der Verhandlung nach dem Kreislauf-Kollaps des beschuldigten Betriebsleiters konnten am Montagvormittag nur zwei der fünf vorgesehenen Personen einvernommen werden. Am Nachmittag folgten weitere Einvernahmen.

Bergeübungen, Rauchverbot und Transporte
Zwei Mitarbeiter der Gletscherbahn Kaprun standen am Montagvormittag vor Gericht. Beide hatten am Tag der Katastrophe Dienst. Die gestellten Fragen der Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat, der Verteidiger und der Privatbeteiligten-Vertreter betrafen hauptsächlich die Durchführung von Bergeübungen vor dem Unglückstag. Außerdem ging es darum, ob im Einstiegsbereich und im Führerstand der "Kitzsteingams" geraucht wurde, ob Materialtransporte durchgeführt wurden und ob es Störungen des Pufferschalters gegeben habe.

"Keine Katastrophenübungen im Tunnel"
Einmal im Jahr habe man in der Bergstation besprochen, welche Vorkehrungen in Notfällen zu treffen seien, erklärte der 49-jährige Stationswart. Er befand sich zum Zeitpunkt der Katastrophe in der Talstation. "Bei Bergeübungen habe ich nicht teilgenommen", sagt er. Auch sein Kollege, der stellertretende Betriebsleiter der GBK, gab an, es habe keine Katastrophenübungen im Tunnel gegeben.

 

"Keine Übungen mit Atemschutzgerät"
"Die Mitarbeiter wurden in der Bergstation darauf aufmerksam gemacht, wo sich die Leuchtstäbe befinden und wie die Türen nach einem Stromausfall zu entriegeln sind. Dann noch stundenlang durch den Stollen die Stufen runterzugehen, ist übertrieben, meinte der 50-jährige Techniker. Er bestätigte auch, dass vor dem verheerenden Unglück keine Übungen mit Atemschutzgeräten durchgeführt wurden. Er wisse auch nicht, ob am Unglückstag welche vorhanden waren. Nirgendwo habe es eine Vorschreibung gegeben, dass sie das haben müssen. "Wir haben auch nicht gedacht, dass wir sie brauchen werden."

 

Rauchverbot in den Führerständen
In den Führerständen herrschte Rauchverbot. Trotzdem hat man Kübel mit Zigarettenstummeln gefunden. Während seiner Einvernahme verstrickte sich der stellvertretende Betriebsleiter in Widersprüche: "In meiner Gegenwart hat dort sicher keiner geraucht", sagte der Zeuge zu einem Verteidiger. Obwohl er kurz zuvor angegeben hatte, der könne nicht hundertprozentig ausschließen, dass jemand in seiner Anwesenheit geraucht hat.

"Wenn ich oben in der Bergstation war, hat es schon vorkommen können, dass jemand im Führerstand geraucht hat." Er habe gewusst, dass dort das Rauchen gefährlich war.

Ob in den Abteilen der Bahn geraucht wurde hat der Stationswart nicht gesehen. "Im Einstiegsbereich, wenn dort nur 50 bis 60 Fahrgäste warteten, war es schon möglich, dass jemand gerauch hat. Es waren ja auch Aschenbecher dort."

 

Beide Zeugen bestätigen die Durchführung von Lastentransporten in einem eigenen Lastenabteil, sowohl während als auch nach der Betriebszeit der Standseilbahn. "Es wurde Baumaterial, angefangen von Fliesen bis zu Lüftungskanälen, hinaufgebracht", sagt der Stationswart. Das stehe alles im Betriebstagebuch.

Auch im Führerstand seien Kleinigkeiten mitgeführt worden. Im Lastenabteil sei auch um die Mittagszeit Treibstoff mitgeschickt worden. "Gasflaschen durften allerdings nur mit Sondertransporten ohne weitere Personen hinaufgebracht werden. Das steht in der Betriebsvorschrift."

Der zweite Zeuge hab allerdings an, dass auch während dieser Sondertransporte ein paar Leute in den Fahrgastabteilen zusteigen konnten. Ob Materialien in anderen Abteilen gelagert wurden, wisse er nicht, erklärte der Techniker.

 

Stillstand der Bahn zwei Tage vor dem Unglück
Zwei Tage vor dem Unglück stellte der Stationswart eine Pufferstörung fest, diese hatte den Stillstand der Bahn zu Folge. Am Tag der Katastrophe selbst sei ihm aber nichts bekann geworden. Er habe den Gabelschalter händisch wieder auf die richtige Position gestellt.
Der stellvertretende Betreibsleiter bestätigte diese Störung, die "zwei bis drei Tage vor dem 11. November passiert war. So etwas ist belanglos, sie hat keine Auswirkung auf den Fahrbetrieb."

 

Dritte Einvernahme am Nachmittag
Am Montagnachmittag dann wurde der 61-jährige Kapruner Maschinenschlosser einvernommen. Er arbeitete von 1967 bis 2001 bei den Gletscherbahnen, auch als zweite Sicherheits- und Vertrauensperson. Er sagte Richter Seiss, dass es keinen Brandschutzbeauftragten gegeben habe. Feuerlöscher wären in der Berg- und Talstation sowie in den Führerständen vorhanden gewesen. Atemschutzgeräte habe es keine gegeben.

 

"Keiner hat mit einem Brand im Wagen gerechnet"
Während Schulungen sei auch über allgemeines Brandverhalten gesprochen worden. Er habe auch bei den Brandschutzübungen im Alpincenter teilgenommen. Beim Wagen habe es allerdings keine Übung gegeben. "Keiner hat damit gerechnet, dass es dort brennen kann. Ich persönlich auch nicht", sagte der Schlosser.

 

Er habe sich am Unglückstag in Lebensgefahr gebracht, als er mit einem Sanitäter über die Brücke zum brennenden Zug in den Stollen rannte, weil er die Bahn sichern wollte. Eine Explosion im oberen Bereich des Tunnels habe ihn von dem Vorhaben abgehalten.

 

Revisionsarbeiten mit Sorgfalt durchgeführt
Im Einstiegsbereich seien die Fahrgäste ermahnt worden, nicht zu rauchen. "Meiner Meinung nach haben die Wagenbegleiter im Zug sicher nicht geraucht", betonte der Zeuge.

Störungen in der Pufferanlage seien ab und zu vorgekommen. Die Bahn sei im Top-Zustand gewesen, die Revisionsarbeiten wurden durch den verantwortlichen Betriebsleiter der GBK auf alle Fälle mit gleicher Sorgfalt überprüft wie es sein Vorgänger getan habe.

 

Was und wann wurde transportiert?
Materialtransporte habe er nicht beobachtet, "die Gasflaschen wurden abends befördert." Nach den Betriebszeiten wurden gelegentlich Sondertransporte durchgeführt.

 

Zeugin aus Wien beschreibt
Eine 44-jährige Wiener Bankangestellte gab bei ihrer Zeugenaussage an, sie habe beim Einsteigen in die Standseilbahn im Mai 2000 beobachtet, wie im unteren Führerstand 15 bis 20 weiße Kanister mit Flüssigkeit eingeladen wurden. Ein Jahr später, als sie wieder im Mai auf das Kitzsteinhorn fuhr, hätten ihr mehrere Leute erzählt, dass in der Woche vor der Brandkatastrophe der Wagen mehrmals gestockt und ruckartig zusammengebremst habe. Diese Leute hätten im Stollen auch Brandgeruch wahrgenommen.

Nur wenige Tage vor dem Unglück sei sie selbst mehrmals mit der Bahn bergwärts gefahren. Dabei sei sie einmal nach einem Viertel der Strecke zum Stillstand gekommen. "Es war komplett finster. Es ist keine Information gekommen." Dann sei der Zug weitergefahren.

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Salzburger Nachrichten

Bestürzung am Landesgericht über Kriminalisten
15. Juli 2002

Zentralstelle in Wien hatte zusätzliche Beweismittel vor Kaprun-Prozess nicht vorgelegt.

SALZBURG, WIEN (SN, APA). Am Landesgericht Salzburg ist man über die Kriminaltechnische Zentralstelle (KTZ) des Innenministeriums "bestürzt". Zusätzliches Beweismaterial sei nicht vorgelegt worden, obwohl zwei Mal schriftlich die gesamten Unterlagen angefordert worden waren, erklärte der stellvertretende Gerichtspräsident Philipp Bauer am Montag auf Anfrage der APA.

Die KTZ sei bei Unglücken mit Brandursachen bestens geeignet. Dieser Vorfall sei nun Sache des Innenministeriums, betonte Bauer. Am Montag wurde wegen des Verdachtes der Beweismittelunterdrückung der Leiter der KTZ - und nicht der Überbringer der schlechten Nachricht am Donnerstag vor Gericht - vom Dienst suspendiert.

"Es sind Unterlagen aufgetaucht, die wir noch nicht hatten", sagte Richter Manfred Seiss. "Die KTZ war mehrmals aufgefordert worden, alles zu liefern. Behauptet wurde damals, dass alles dem Landesgendarmeriekommando übergeben worden sei. Ein fünfseitiger Brief der KTZ war die Antwort an das Gericht - und jetzt das", so der Richter.

Gegen den Leiter der KTZ des Innenministeriums wurde seitens des Ressorts zusätzlich eine Disziplinaranzeige und eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft eingebracht, sagte Chefinspektor Robert Sturm.

Über die Tragweite der unterdrückten Beweismittel war vorerst nichts bekannt. "Wir wissen noch nicht genau, um welche Dokumente es sich handelt", meinte Sturm. Die Überprüfung liege nun in den Händen des Gerichts in Salzburg. Über die Motive des Beamten herrschte vorerst Rätselraten. "Wir wissen nicht, wieso er so etwas getan hat", sagte der Chefinspektor.

Ein KTZ-Mitarbeiter hatte, wie berichtet, am Donnerstag große Mengen Fotos, Videos und Niederschriften vorgelegt, die in den Gutachten angeblich nicht berücksichtigt wurden. Zuerst waren die Behörden davon ausgegangen, dass es sich bei den aufgetauchten Dokumenten lediglich um "Duplikate und Ablichtungen von frei zugänglichen Schaltplänen" gehandelt hatte.

Während der ersten Zeugeneinvernahme bei der Fortsetzung des Kaprun-Prozesses im Salzburger Kolpinghaus ist am Montag Vormittag einer der Beschuldigten zusammengebrochen. Nach ersten Angaben hat der Betriebsleiter einen Kreislaufkollaps erlitten.

Ein Gletscherbahnmitarbeiter war gerade über Bergeübungen im Tunnel befragt worden, als dem Betriebsleiter plötzlich schlecht wurde. Richter Manfred Seiss (im SN/Ratzer-Bild) veranlasste die Verständigung des Notarztes und unterbrach um 9.40 Uhr die Verhandlung. Der Betriebsleiter wurde in einem Nebenraum des Verhandlungssaales gelabt.

Durch die Unterbrechung der Verhandlung nach dem Kreislauf-Kollaps des beschuldigten Betriebsleiters der Gletscherbahnen Kaprun (GBK) hatte sich die Einvernahme der Zeugen verzögert. Bis zur Mittagspause konnten nur zwei der fünf vorgesehen Personen einvernommen werden. Um 12.00 Uhr kam der Betriebsleiter in den Saal und nahm wieder an der Verhandlung teil.

Vor Gericht standen zwei Mitarbeiter der GBK, die am Tag der Brandkatastrophe am 11. November 2000 Dienst hatten. Die Fragen von Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat, der Verteidiger und Privatbeteiligten-Vertreter betrafen hauptsächlich die Durchführung von Bergeübungen vor dem Unglückstag, ob im Einstiegsbereich und im Führerstand der "Kitzsteingams" geraucht wurde, Materialtransporte durchgeführt und es Störungen des Pufferschalters gegeben habe.

Einmal im Jahr sei in der Bergstation der Standseilbahn besprochen worden, welche Vorkehrungen in Notfällen zu treffen seien, erklärte der 49-jährige Stationswart, der sich zum Zeitpunkt der Katastrophe in der Talstation befand. An Bergeübungen habe er nicht teilgenommen. Auch sein Kollege, der stellvertretende Betriebsleiter der GBK, gab an, es habe keine Katastrophenübungen im Tunnel gegeben.

"Die Mitarbeiter wurden in der Bergstation darauf aufmerksam gemacht, wo sich die Leuchtstäbe befinden und wie die Türen nach einem Stromausfall zu entriegeln seien. Dann noch stundenlang durch den Stollen die Stufen runterzugehen, ist übertrieben", meinte der 50-jährige Techniker.

Er bestätigte auch, dass vor dem verheerenden Unglück keine Übungen mit Atemschutzgeräten durchgeführt wurden. "Ich weiß auch nicht, ob am Unglückstag welche vorhanden waren. Nirgendwo hat es eine Vorschreibung gegeben, dass wir das haben müssen. Wir haben auch nicht gedacht, dass wir sie brauchen werden."

In den Führerständen herrschte Rauchverbot. Dennoch wurden Kübel mit Zigarettenstummeln gefunden. Während seiner Einvernahme verstrickte sich der stellvertretende Betriebsleiter in Widersprüche: "In meiner Gegenwart hat dort sicher keiner geraucht", sagte der Zeuge zu einem Verteidiger, obwohl er kurz zuvor angegeben hatte, er könne nicht hundertprozentig ausschließen, dass jemand in seiner Anwesenheit geraucht habe.

"Wenn ich oben in der Bergstation war, hat es schon vorkommen können, dass jemand im Führerstand geraucht hat." Er habe gewusst, dass dort das Rauchen gefährlich war. "Wenn man eine Zigarette wegschmeißt und dann was brennen kann, damit hat man schon gerechnet." Ob in den Abteilen der Kitzsteingams geraucht wurde, hat der Stationswart "nicht gesehen. Im Einstiegsbereich, wenn dort nur 50 bis 60 Fahrgäste warteten, war es schon möglich, dass jemand geraucht hat. Es waren ja auch Aschenbecher dort".

Beide Zeugen bestätigten auch die Durchführung von Lastentransporten in einem eigenen "Lastenabteil" während und nach der Betriebszeit der Standseilbahn. "Es wurde Baumaterial, angefangen von Fliesen bis zu Lüftungskanälen, hinaufgebracht. Das steht alles im Betriebstagebuch", sagte der Stationswart. Auch im Führerstand seien Kleinigkeiten mitgeführt worden.

Im Lastenabteil sei auch um die Mittagszeit Treibstoff, zum Beispiel Spezialwinterdiesel, mitgeschickt worden. "Gasflaschen durften allerdings nur mit Sondertransporten ohne weitere Personen hinaufgebracht werden. Das steht in der Betriebsvorschrift." Der zweite Zeuge gab allerdings an, dass auch während dieser Sondertransporte ein paar Leute in den Fahrgastabteilen zusteigen konnten. Ob Materialien in anderen Abteilen gelagert wurden, wisse er nicht, erklärte der Techniker.

Zwei Tage vor dem Unglück hatte der Stationswart eine sogenannte Pufferstörung feststellen können, die den Stillstand der Bahn zur Folge hatte. Am Tag der Katastrophe selbst sei ihm aber nichts bekannt geworden. Er habe den Gabelschalter händisch wieder auf die richtige Position gestellt. Der stellvertretende Betriebsleiter bestätigte diese Störung, die "zwei bis drei Tage vor dem 11. November passiert war. So etwas ist belanglos, sie hat keine Auswirkung auf den Fahrbetrieb".

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Kurier

15.07.2002 16 : 37 Uhr
Knalleffekt beim Kaprun-Prozess: Leitender KTZ-Beamter suspendiert

Im Prozess um die Brandkatastrophe in Kaprun überschlugen sich Montagvormittag die Ereignisse. Zuerst wurde bekannt, dass der leitende Beamte der Kriminaltechnischen Zentralstelle (KTZ) vorübergehend vom Dienst suspendiert wurde, weil der Verdacht besteht, dass Beweise unterdrückt wurden. 40 Minuten nach Beginn der Verhandlung sorgte schließlich der Zusammenbruch eines Beschuldigten für große Aufregung.

Gericht überprüft Beweismittel

Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen Amtsmissbrauchs und Unterdrückung von Beweisen gegen jenen KTZ-Beamten, der beim Lokalaugenschein am vergangenen Donnerstag mit einem Kofferraum voll unbekannter Akten und Videobänder überraschte. "Wir wissen noch nicht genau, um welche Dokumente es sich handelt. Die Überprüfung liegt in den Händen des Salzburger Gerichts", sagt Chefinspektor Robert Sturm. Über die Motive des Beamten herrsche Rätselraten.

Durchaus relevantes Material

Bisher argumentierten die KTZ-Beamten, dass es sich bei dem Material um kopierte Pläne handeln würde, die sich auch die Gutachter bei den Firmen besorgen hätten können. Der stellvertretender Gerichtspräsident Philipp Bauer ließ aber durchklingen, dass durchaus relevantes Material entdeckt wurde: "Wir sind bestürzt, dass diese zusätzlichen Beweise nicht vorgelegt wurden." Zunächst müssen für alle Anwälte und Gutachter Kopien der Akten und Videos angefertigt werden.

Betriebsleiter erlitt Kollaps

Die große Anspannung während des Prozess und das schwüle Wetter sorgten am Montag dafür, dass der Betriebsleiter der Gletscherbahnen, Günther Brennsteiner einen Kreislaufkollaps erlitt. Richter Manfred Seiss bemerkte, dass der Beschuldigte während einer Zeugeneinvernahme weiß im Gesicht wurde und fast vom Sessel kippte. Der 41-Jährige wurde auf den Boden gelegt und seine Füße hochgelagert. Während sich Verteidiger um Brennsteiner kümmerten, besorgte Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat feuchte Tücher. Auch eine Hinterbliebene leistete Erste Hilfe. Von der Rettung wurde ein EKG gemacht. Am Nachmittag nahm Brennsteiner wieder an der Verhandlung teil.

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