salzburg.orf.at
16. Juni 2001

 

Unerträgliches zu Kaprun
Die Justiz wird öffentlich kritisiert, weil es Mißstände bei der Analyse der Seilbahnkatastrophe von Kaprun und beim Umgang mit Angehörigen gebe. Gleichzeitig erlebt Salzburg medienwirksame Auftritte von Star-Anwälten. Mit diesem Spannungsfeld beschäftigt sich die Wochenanalyse von Hans Kutil.


Emotion statt Fachkenntnis
Im Voraus sei für empfindsame Menschen festgestellt: Es ist hier später noch von schonungslosen Details die Rede, was Opfer von Kaprun und ihr tragisches Schicksal betrifft.

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht der amerikanische Anwalt Ed Fagan in Salzburg auftritt, mit einer Schar weiterer Anwälte und mit Hinterbliebenen von Opfern der Stollenbahnkatastrophe von Kaprun.

Spitzfindig werden tatsächliche oder vermeintliche Schwachstellen der rechtlichen Aufarbeitung des Dramas genutzt, um sich medienwirksam in Szene zu setzen - allerdings mit Argumenten, die oft mehr Emotion als Faktenkenntnis erkennen lassen.


Medienberater für Justiz
Auf der einen Seite kämpft ein mit allen Wassern gewaschener Medienprofi - Ed Fagan. Auf der anderen Seite stehen über jeden Verdacht erhabene Ermittler und eine Justiz, der die Opferanwälte obrigkeitlich-herablassendes, unsensibles Verhalten vorwerfen und damit auch den weltweit guten Ruf in Frage stellen, den sich Einsatzkräfte, Bergungsmannschaften und Ermittler in den Tagen nach der Katastrophe erworben haben.

Es wäre der Justiz kein Zacken aus der Krone gefallen, hätte sie sich in diesem so heiklen Fall Medienberater engagiert - immerhin hat die Katastrophe weltweit Aufsehen erregt.

Unerträglichkeiten
Es ist tatsächlich absolut unerträglich, daß die Angehörigen noch immer keine Gelegenheit hatten, das ausgebrannte Wrack der Kitzsteingams zu besichtigen. Nichts, aber auch gar nichts spricht dagegen. Es ist unerträglich, wie schütter der Informationsfluß zu den Angehörigen ist. Es ist unerträglich, wie unsensibel den Hinterbliebenen Habseligkeiten der Toten übermittelt wurden - in Kuverts, mit Nummern statt Namen.

Und: es ist unerträglich, daß Leichenteile in einem Gemeinschaftsgrab verscharrt wurden, ohne vorher die Angehörigen zu informieren und um Zustimmung zu bitten und zu einer feierlichen Beisetzung einzuladen. Kaum jemand hätte sich bei entsprechender Information dagegen aussprechen können, denn die Reste sind nach wochenlangem Liegen im wasserdurchspülten Tunnel kaum noch zuordenbar.

Brandleichen
Jeder, der schon einmal Brandleichen gesehen hat, weiß es besser als die Anwälte, die nun behaupten oder behaupten lassen, den Leichen seien Arme und Beine abgerissen worden - und ähnliche Schauermärchen. Auch das ist unerträglich.

Bei Brandleichen veraschen Finger und Zehen oft vollständig, bleiben von Armen und Beinen vielfach nur Stümpfe erhalten, führt übergroße Hitze manches Mal dazu, daß der Rumpf durch eine Dampfexplosion regelrecht zerrissen wird. Wobei fast schlagartige Bewußtlosigkeit durch Sauerstoffmangel und Giftgase das Leiden sehr rasch beenden. Nicht anders wird es im Todestunnel von Kaprun gewesen sein.

Zeremonie nötig
Gerichtsmedizinerin und Justiz haben es sich nicht einfach gemacht. Sie haben fein säuberlich den Brandschutt nach menschlichen Resten durchsuchen lassen, damit diese nicht auf einer Deponie landen. Diese Reste sind - so wird glaubhaft versichert - für genetische Untersuchungen nicht mehr geeignet und somit nicht mehr zuordenbar. Angelpunkt ist somit der Umgang mit diesen Resten. Sie heimlich beizusetzen, war sicherlich ein Fehler.

Vielleicht sollte man sie tatsächlich exhumieren und die Angehörigen zu überzeugen versuchen, daß diese Überreste als Erinnerung an das grausame gemeinsame Schicksal von 155 Menschen in einer würdevollen Zeremonie mit den Angehörigen aus aller Welt auch gemeinsam beigesetzt werden - entweder in der geplanten Gedächtnisstätte in Kaprun oder in einem Ehrengrab auf dem Kommunalfriedhof.

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