Martin verschickte diesen Text am 12. November 2000 an Thurlis Freunde
Liebe Freunde ! Einige von Euch werden es wohl leider schon wissen, den anderen muss ich eine traurige und zugleich unfassbare Nachricht überbringen. Mein Bruder, euer Freund, Kollege, Bekannter, Studienkollege, Snowboarder oder einfach nur Arthur oder "Thurly" ist nicht mehr unter uns. Er musste am Samstag in der Tragödie am Kitzsteinhorn zusammen mit seiner Freundin Simone und einigen anderen burgenländischen Snowboardern sein Leben lassen. Arthur lebte für diesen Sport. Sein ganzes Leben und auch seine Lebensziele waren rund um diesen Sport aufgebaut, der Ihm so viel Freude bereitete. Er hatte es als burgenländischer Snowboarder nie leicht, aber was er sich in den Kopf setzte das schaffte er auch. Wenn wir mit Freunden diskutierten dann bezeichneten wir Ihn oft im Spass als "Die einzige lebende Snowboardlegende des Burgenlandes". Nie hätte ich mir gedacht, dass sich das so schnell einmal ändern würde oder dass diese Worte einmal so ein Gewicht bekommen sollten. Er hätte sein Leben wirklich noch vor sich gehabt, sowohl privat als auch beruflich hatte er im Moment alles fest im Griff. Ich kenne Euch zwar nicht alle persönlich, werde dieses e-mail aber an all meine und an Thurlys Freunde und Bekannte schicken. Wir alle werden ihn nie vergessen. In tiefer Trauer Martin Warias Werners Anwort auf Martins e-mail:
Jeden Montag versenden wir die Lactat-Snowboardnews an alle unsere Partner, Freunde und Kontakte. Es war mir klar, dass es dieses Mal keine Snowboardnews wie sonst sein können, weil mir immer Arthur im Kopf herumschwirrte. Ob richtig oder nicht, als extrovertierter, nicht religiöser Mensch, habe ich mich gestern Abend hingesetzt und mich auf meine Art von Thurly verabschiedet. Wie bei einem Gebet habe ich mich lange hingesetzt und meine Gedanken ohne Filter aufgeschrieben und versendet. Viele Personen mailen zurück und es steht mir nicht zu, die Beileidswünsche anzunehmen. Thurly und ich waren Freunde und Kollegen, aber diese Emails sind eigentlich für seine Familie und besten Freunde gedacht. Wenn du erlaubst, werde ich sie dir auf diese Adresse weiterleiten. Bitte sende mir ein kurzes Email. Werner
Bis jetzt waren die Lactat-Snowboardnews immer gute News, leider gibt es dieses Mal traurige News... Arthur Warias ist nicht mehr unter uns! Wenn eine Katastrophe wie diese in Kaprun seinen Lauf nimmt, ist tragisch und es geht jedem, der davon hört an die Nieren. Dieses Mal war ein Snowboardopening am Kitzsteinhorn und ich selbst habe einige von unseren Free-stylern zu dieser Veranstaltung geschickt. Noch bevor ich von den Medien vom Unglück erfahren habe, klingelte das Telefon von Peter Höflehner. Er schilderte nervös die Lage in Kaprun, erzählte von einem Brand, von einigen Geretteten und einigen Eingeschlossenen. Ihm und David Reinthaler sei nichts passiert und sie befinden sich schon auf dem Weg zurück nach Schladming. Noch war keinem von uns bewusst, dass keiner der Eingeschlossenen eine Überlebenschance hatte. Erst mit den Fernseh- und Radioberichten bekamen wir alle mit, dass dieses Unglück verheerende Aus-maße angenommen hatte. Und erst dann begann das Warten und mit dem flauen Gefühl im Magen, ob nicht einer der Freunde und Bekannten bei den Verunglückten sein könnte. In den letzten acht Jahren im Snowboardgeschäft lernt man viele Menschen kennen und schätzen. Aber bei den 170 Toten wird doch niemand dabei gewesen sein.
So wie es im Leben ist, beginnt das Leid erst wenn es einem persönlich betrifft. Den ganzen Nachmittag riefen und Freunde und Bekannte an. Von einigen hatte ich schon lange nichts mehr gehört, viele waren froh, dass ich sagen konnte: "Nein, von unseren Jungs ist keiner dabei!" An diesem Nachmittag hatte nur Christan Leitner, ein Snowboardtrainerkollege, eine böse Vorahnung! Er sagte schon am frühen Nachmittag, dass er Arthur nicht erreichen konnte, aber es wird schon nichts passiert sein... Am Sonntag hatte ich zwei Mal Älex Rottmann, den ÖSV-Freestyletrainer auf der Mobilbox. Beim Rückruf hob Älex nicht ab und ich wagte nichts Negatives zu denken. Beim Anruf am Abend, wusste ich schon nach den ersten fast tonlosen Worten, dass dieses Unglück doch einen von uns erwischt hatte ... Lieber Thurly! Ich schreibe dieses Mail an unsere Freunde und Partner, damit auch jene von dir erfahren, die nicht die Chance hatten, dich kennen zu lernen.
Alle jene, die dich gekannt haben, werden dich sicher nie vergessen. Unsere Freundschaft hat erst vor einem Jahr begonnen, als wir gemeinsam bei der staatlichen Snowboard-lehrerausbildung die Schulbank in der Bafl Innsbruck drückten. Als vorlaute Besserwisser im rechten vorderen Eck, bekam ich auf einmal von links hinten Rückendeckung bei den verschiedensten Diskussionen. Ich hatte nicht gerechnet, dass ein burgenländischer Sportwissen-schafter die gleiche Meinung wie ich hatte, sie auch noch vortrug und mit mathematischen und biomechan-ischen Details bekräftigte. Dieses Flügelspiel war sicher nicht leicht für die Vortragenden, aber einige Gleichgesinnte hatten sich gefunden. Von Kurs zu Kurs wurde aus einer Interessensgemeinschaft eine Freundschaft und bei den "Hardcore" Aktionen mit Birgit Herbert und Älex Rottmann warst du natürlich immer mit dabei. Legendäre Abendpartys bei den Kursen und der Mittagspause-Rotweinparty im Whirlpool in Hochfügen werde ich immer in Erinnerung haben.
Probleme hatten wir aber beide mit der Selbsteinschätzung. Besonders kurz vor der praktischen Abschlussprüfung hatten wir die Hosen voll. Gegenseitig haben wir uns aufgebaut und Mut gemacht. Der Anfänger-Driftschwung wurde geübt und von Älex korrigiert, Birgit Herbert konnte diesen Schwung viel besser als ich und wieso du ihn überhaupt geübt hast, wird mir immer ein Rätsel sein. Am Tag der Prüfung sind nur wir beide in der Gondel gewesen. Sicher kein Zufall! An Wettkampftagen, dieser Tag gehörte dazu, versuchen erfolgreiche Teilnehmer, sich das beste Umfeld zu schaffen. Meine Gründe waren klar. Die chemischen Vorgänge in der Muskelzelle waren mir noch immer ein Rätsel, und du konntest es mir in ca. 20 min. so erklären, dass ich es eventuell verstehen könnte. Deine Gründe dürften wohl gewesen sein, dass du auf mein snowboardtechnisches Urteilgefühl vertrautest, denn für mich warst du vielleicht der technisch ausgeglichenste Snowboarder des ganzen Kurses. Schon nach der ersten Prüfung, dem Anfängerdriftschwung, war alles gelaufen. Du hattest eine fehlerfreie Fahrt die unten wartenden Kollegen bestätigten es mit lauten Zurufen, und die richtige Selbsteinschätzung war da. Die restlichen Fahrten wurden abgespult und dein großes Ziel, staatlich geprüfter Snowboardlehrer zu sein, war eigentlich für dich ein Klax. Ich bin froh, dass ich dir schon damals gesagt habe, dass du für mich zu den besten Snowboarden ge-hörst, die ich kenne. Es gibt sicher einige, die einen Slalom schneller fahren können als du, aber für ein Schulungsvideo hätte ich dich engagiert. Unsere Freundschaft basierte auf einem gemeinsamen Ziel und der gemeinsamen Liebe zu einem Sport. Alle unsere Gespräche drehten sich irgendwie ums Snowboarden. Lieber Thurly, egal wo du jetzt bist: "Für dich gibt es sicher den Schnee und das Board, das du dir immer gewünscht hast...." Alles Gute Dein Werner
Lactat Werner Madlencnik A-8970 Schladming - PF 11 Mob: +43 (0)664 3380490 Fax: +43 (0)3687 80918 email: Lactat@aon.at |