salzburg.orf.at
14.11.2000
66 Leichen bisher geborgen
Eine mit mehr als 160 Menschen besetzte Garnitur der Gletscherbahn aufs Kitzsteinhorn ist vergangenen Samstag vollkommen ausgebrannt. Nur zwölf Insassen konnten sich retten. Laut jüngster Bilanz kamen 156 Menschen um, mit einer Unsicherheit von weiteren vier Toten.
Große Belastung für Bergemannschaften
Für die Bergemannschaften bedeute der Einsatz eine ungeheure psychische Belastung. Das österreichische Bundesheer hat Kadersoldaten für die Bergung zur Verfügung gestellt, es werden keine Grundwehrdiener eingesetzt. Mittlerweile werden die Teams wegen der großen Strapazen alle eineinhalb Stunden ausgewechselt.
Franz Lang ist mit seinen Leuten seit zwei Tagen auf den Beinen: "Wir werden von eigenen Leuten gebrieft", sagt Lang, "Aber es gibt Situationen, wo man die Leute aus dem Einsatz herausziehen muss. Im Prinzip ist es aber so, dass die Aufgabe selbst aufrecht erhält." Die Männer seien zwar durch die harte Ausbildung und jahrelange Erfahrung einiges gewöhnt, aber "es hat mit den Ausmaßen der Situation zu tun, ob die Leute das packen oder nicht", sagt Lang.
Da die Helfer bei ihrem Einsatz sowohl körperlich als auch seelisch an die Grenze ihrer Belastbarkeit gelangen, werden auch Psychologen eingesetzt, um sie zu beraten und zu betreuen.
800 bis 1.000 Grad im Tunnel
Die Unfallursache ist immer noch unklar, eine Expertenkommission wird sich in den kommenden Tagen damit befassen. Derzeit steht nur eines fest: Das Feuer hat sich rasend schnell ausgebreitet, im Tunnel dürften Temperaturen zwischen 800 und 1.000 Grad geherrscht haben.
Ein Grund für das Brandausmaß dürften die Ausrüstungen der Skifahrer gewesen sein. Denn das Material etwa für die Skainzüge ist leicht brennbar, sagt Helmut Pehrstorfer vom Linzer Institut für Brandtechnik und Sicherheitsforschung: "Man hat hier kaum eine Chance, es kommt hier zu einer sehr raschen Flammenausbreitung an der Oberfläche. Diese Kunststoffe sind nur schwer zu löschen, da sie mitunter brennend abtropfen und eine Brandausbreitung dann indirekt erfolgt. Es müssen geeignete Löschmittel eingesetzt werden, dass man sowas löschen kann."
Die Forscher sind gerade dabei, sich Skianzüge und Skiausrüstung zu besorgen, um den Brandhergang simulieren zu können.
Der Brand dürfte sich durch den starken Wind im Tunnel weiter ausgeweitet und den Schacht der Standseilbahn mit Rauch und Flammen gefüllt haben. Die meisten Passagiere hatten keine Chance.
Fernsehteam festgenommen
In Kaprun wurde ein Schweizer Fernsehteam von der Gendarmerie festgenommen. Die Journalisten drangen zur Mittelstation der Bergbahn vor, um bessere Bilder machen zu können. Sie sind von Niedernsill über den Berg gestiegen, um zur Unglücksstelle zu kommen. Einige Einheimische sahen die Kameraleute und alarmierten die Gendarmerie. Die nahm die Fernsehleute fest und nahm ihnen die Fernsehbänder ab.
In der Bergstation erstickt
Am oberen Tunnelausgang wurden bereits am Samstagnachmittag drei Tote geborgen, die sich in einem Kommandostand aufgehalten hatten. Sie sind in den dichten Rauchschwaden erstickt. Einer davon ist ein Mitarbeiter der Seilbahngesellschaft.
Die Hilfsmannschaften berichteten am Samstagnachmittag, dass sie am Unglücksort nur noch das Metallgestell der Garnitur vorgefunden hätten. Oberhalb des total zerstörten Zugs sollen sie zudem die Leichen von Fahrgästen gefunden haben, die versuchten, nach oben zu fliehen. Den ganzen Samstagnachmittag waren Experten damit beschäftigt, die Garnitur zu sichern - sie drohte in die Tiefe zu stürzen.
Deutscher rettet elf Menschen das Leben
Nur zwölf Personen konnten sich aus der brennenden Garnitur retten. Sie berichten übereinstimmend, dass einer der Geretteten mit einem Skistock die Scheibe eingeschlagen hat und sie anschließend aus dem Wagen herausklettern konnten. Die Überlebenden sind daraufhin auf einer neben der Standseilbahn befindlichen Stiege nach unten gelaufen - sie sind so dem Feuer und dem Rauch entkommen.
Die Überlebenden verdanken ihr Leben wahrscheinlich einem 36-jährigen Deutschen. Der Mann habe in dem Chaos richtig gehandelt, sagt der Psychologe Thomas Kamholz vom Krankenhaus Zell am See: "Er hat die richtige Entscheidung getroffen: Nämlich dass der sichere Weg nach unten sein wird und nicht nach oben. Er hat versucht, Leute, die nach oben gelaufen sind, durch Schreie nach unten zu bewegen." Der 36-Jährige ist mittlerweile wieder zu Hause in Bayern. Auch neun andere Überlebende sind mittlerweile wieder zu Hause.
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14.11.2000, Vormittag |
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14.11.2000, 10.00 Uhr |
14.11.2000, Nachmittag |