salzburg.orf.at

14.11.2000

 

66 Leichen bisher geborgen
Eine mit mehr als 160 Menschen besetzte Garnitur der Gletscherbahn aufs Kitzsteinhorn ist vergangenen Samstag vollkommen ausgebrannt. Nur zwölf Insassen konnten sich retten. Laut jüngster Bilanz kamen 156 Menschen um, mit einer Unsicherheit von weiteren vier Toten.


Bis gestern Abend waren 66 Tote geborgen. Die ersten wurden in eine eigens gemietete Kühlhalle nach Salzburg geflogen. Der Standort der Halle wurde geheimgehalten. Die Toten werden jetzt nach und nach gerichtsmedizinlich untersucht.

Leichen durch Hitze verschmolzen
Die Bergung der Leichen wird noch Tage dauern. 110 Mann von Bundesheer, Feuerwehr und anderen Hilforganisationen sind rund um die Uhr im Einsatz. Doch ihre Arbeit wird immer schwieriger, sagt Franz Lang, von der Kriminalabteilung der Gendarmerie: "Die Brandeinwirkung ist derartig stark, dass es eine große Verschmelzung mit der Umgebung gibt. Wir müssen deshalb jedes Opfer einzeln herauslösen, um nicht zu sagen, zu sezieren. Das alles muss dokumentiert werden, muss rekonstruierbar bleiben für die spätere gerichtsmedizinliche Untersuchung im Labor."

Gerichtsmediziner vor Ort
Am Montagnachmittag konnten erstmals Gerichtsmediziner zur Spurensicherung mit in den Tunnel gelangen. Steinschlag und Föhn haben die Bergungsarbeiten in Kaprun am Montagnachmittag kurzfristig unterbrochen. Mittlerweile können die Einsatzkräfte wieder arbeiten.

Auch wenn die Bergung der Verunglückten in einigen Tagen abgeschlossen sein kann, so werde die endgültige Identifizierung mittels DNA-Analyse noch dauern, heißt es vonseiten der Gerichtsmediziner. Die DNA-Analyse ist ein äußerst aufwändiges Verfahren.

  

Große Belastung für Bergemannschaften
Für die Bergemannschaften bedeute der Einsatz eine ungeheure psychische Belastung. Das österreichische Bundesheer hat Kadersoldaten für die Bergung zur Verfügung gestellt, es werden keine Grundwehrdiener eingesetzt. Mittlerweile werden die Teams wegen der großen Strapazen alle eineinhalb Stunden ausgewechselt.

Franz Lang ist mit seinen Leuten seit zwei Tagen auf den Beinen: "Wir werden von eigenen Leuten gebrieft", sagt Lang, "Aber es gibt Situationen, wo man die Leute aus dem Einsatz herausziehen muss. Im Prinzip ist es aber so, dass die Aufgabe selbst aufrecht erhält." Die Männer seien zwar durch die harte Ausbildung und jahrelange Erfahrung einiges gewöhnt, aber "es hat mit den Ausmaßen der Situation zu tun, ob die Leute das packen oder nicht", sagt Lang.

Da die Helfer bei ihrem Einsatz sowohl körperlich als auch seelisch an die Grenze ihrer Belastbarkeit gelangen, werden auch Psychologen eingesetzt, um sie zu beraten und zu betreuen.

800 bis 1.000 Grad im Tunnel
Die Unfallursache ist immer noch unklar, eine Expertenkommission wird sich in den kommenden Tagen damit befassen. Derzeit steht nur eines fest: Das Feuer hat sich rasend schnell ausgebreitet, im Tunnel dürften Temperaturen zwischen 800 und 1.000 Grad geherrscht haben.

Ein Grund für das Brandausmaß dürften die Ausrüstungen der Skifahrer gewesen sein. Denn das Material etwa für die Skainzüge ist leicht brennbar, sagt Helmut Pehrstorfer vom Linzer Institut für Brandtechnik und Sicherheitsforschung: "Man hat hier kaum eine Chance, es kommt hier zu einer sehr raschen Flammenausbreitung an der Oberfläche. Diese Kunststoffe sind nur schwer zu löschen, da sie mitunter brennend abtropfen und eine Brandausbreitung dann indirekt erfolgt. Es müssen geeignete Löschmittel eingesetzt werden, dass man sowas löschen kann."

 

Die Forscher sind gerade dabei, sich Skianzüge und Skiausrüstung zu besorgen, um den Brandhergang simulieren zu können.

Der Brand dürfte sich durch den starken Wind im Tunnel weiter ausgeweitet und den Schacht der Standseilbahn mit Rauch und Flammen gefüllt haben. Die meisten Passagiere hatten keine Chance.

 

Fernsehteam festgenommen
In Kaprun wurde ein Schweizer Fernsehteam von der Gendarmerie festgenommen. Die Journalisten drangen zur Mittelstation der Bergbahn vor, um bessere Bilder machen zu können. Sie sind von Niedernsill über den Berg gestiegen, um zur Unglücksstelle zu kommen. Einige Einheimische sahen die Kameraleute und alarmierten die Gendarmerie. Die nahm die Fernsehleute fest und nahm ihnen die Fernsehbänder ab.

In der Bergstation erstickt
Am oberen Tunnelausgang wurden bereits am Samstagnachmittag drei Tote geborgen, die sich in einem Kommandostand aufgehalten hatten. Sie sind in den dichten Rauchschwaden erstickt. Einer davon ist ein Mitarbeiter der Seilbahngesellschaft.

Die Hilfsmannschaften berichteten am Samstagnachmittag, dass sie am Unglücksort nur noch das Metallgestell der Garnitur vorgefunden hätten. Oberhalb des total zerstörten Zugs sollen sie zudem die Leichen von Fahrgästen gefunden haben, die versuchten, nach oben zu fliehen. Den ganzen Samstagnachmittag waren Experten damit beschäftigt, die Garnitur zu sichern - sie drohte in die Tiefe zu stürzen.

 

Deutscher rettet elf Menschen das Leben
Nur zwölf Personen konnten sich aus der brennenden Garnitur retten. Sie berichten übereinstimmend, dass einer der Geretteten mit einem Skistock die Scheibe eingeschlagen hat und sie anschließend aus dem Wagen herausklettern konnten. Die Überlebenden sind daraufhin auf einer neben der Standseilbahn befindlichen Stiege nach unten gelaufen - sie sind so dem Feuer und dem Rauch entkommen.

Die Überlebenden verdanken ihr Leben wahrscheinlich einem 36-jährigen Deutschen. Der Mann habe in dem Chaos richtig gehandelt, sagt der Psychologe Thomas Kamholz vom Krankenhaus Zell am See: "Er hat die richtige Entscheidung getroffen: Nämlich dass der sichere Weg nach unten sein wird und nicht nach oben. Er hat versucht, Leute, die nach oben gelaufen sind, durch Schreie nach unten zu bewegen." Der 36-Jährige ist mittlerweile wieder zu Hause in Bayern. Auch neun andere Überlebende sind mittlerweile wieder zu Hause.

 

14.11.2000, Vormittag

Deutschen Medienberichten zur Folge bereiten die Familien der Opfer aus Bayern bereits Schadenersatz- und Schmerzensgeldklagen in Millionenhöhe vor.

 

14.11.2000, 10.00 Uhr

Bei einer Pressekonferenz wird bekannt gegeben, dass die bestätigte Opferzahl bei 156 Personen liegt. Vier weitere Menschen werden ebenfalls unter den Toten vermutet, dies ist jedoch noch nicht verifiziert.

14.11.2000, Nachmittag

Die Bergung der Opfer geht ununterbrochen weiter, der Abtransport der Leichen nach Salzburg ist jedoch unmöglich: Wegen eines Föhnsturms im hochalpinen Gelände müssen die Helikopter am Boden bleiben.

 

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