18.11.2000
Salzburger Nachrichten

 

Versagen, nicht Schicksal

JOSEF SCHORN

Seit einer Woche trägt Österreich Trauer. Angesichts des unermesslichen Leids, das die Katastrophe am Kitzsteinhorn über hunderte Familien gebracht hat, sind schrille Anklagen und Vorwürfe nicht angebracht. Doch den immer drängenderen Fragen nach den Ursachen des Unglücks darf man sich nicht verschließen. Salzburgs Landeshauptmann selbst hat in Kaprun "schonungslose Aufklärung" eingemahnt.

Gewiss, wir neigen dazu, die Suche nach Verantwortlichen für eine unbegreifbare Tragödie als Flucht zu missbrauchen. Sind einmal Schuldige gefunden, fällt es uns leichter, wieder die Augen zu schließen vor einer unbestreitbaren Wahrheit: Dass Katastrophen dieses Ausmaßes auch vor unserer Haustür passieren können und keine medialen Projektionen aus fernen Ecken dieser Welt sind.

Diese Erkenntnis darf aber nicht dazu verleiten, den Tod von 155 Menschen in der Kabine einer Standseilbahn gottergeben als schicksalhaftes Naturereignis allein zu verstehen. In den Tagen nach der Tragödie am Kitzsteinhorn stellte sich etwa heraus, dass die Aufsicht über die Seilbahnen im Verkehrsministerium auf geradezu skandalöse Weise gehandhabt wird. Den Betreibern wird es weitgehend überlassen, den Sicherheitsstandard der Anlagen - mit Ausnahme der vom TÜV durchgeführten Hauptprüfungen - jährlich selbst zu kontrollieren.

Es kommt schon einem Eingeständnis von Versagen gleich, wenn Bahnen in Tirol und Kärnten jetzt eilig Nachrüstungen vorgeschrieben werden. Wie konnte es die Behörde jahrelang zulassen, dass in den Wagen keine Vorrichtungen zum Öffnen der Türen durch die Passagiere existierten? Dass Tunnel mangelhaft beleuchtet, Führerstände nicht mit Atemschutzgeräten ausgestattet waren?

Die Pitztalbahn verfügte schon bisher über Schleusen, die den katastrophalen Kamin-Effekt verhindern, in dem die Menschen in Kaprun umkamen. Die Bahn auf die Zugspitze kennt mehrere Fluchtstollen, in die sich Passagiere im Brandfall retten können. In Kaprun glaubte man, ohne all diese Vorkehrungen auskommen zu können. Und die behördliche Aufsicht dachte nicht daran, ähnliche Auflagen vorzuschreiben.

 

Dem Ministerium galt ein Brandfall im Tunnel als undenkbar. Was brachte die Experten zur Annahme, dort, wo in den Mittagsstunden nicht selten fast 400 Menschen gleichzeitig berg- und talwärts befördert wurden, könne Feuer nicht ausbrechen? Wie konnte ausgeschlossen werden, dass einer unter Tausenden gegen das Rauchverbot verstößt und ein Funke Skibekleidung in Flammen setzt? Alle anderen Versäumnisse könnten nun als logische Folge dieser fatalen Fehlannahme interpretiert werden. Es wurde gar nicht geübt, was im Brandfall zu tun ist bei Gluthitze und giftigen Dämpfen.

Doch vielleicht, man wagt so etwas kaum zu denken, ist sogar die Aussage, man habe an den Brandfall einfach nicht gedacht, noch eine Schutzbehauptung der Behörde. Warum befinden sich in den Führerständen der Züge Feuerlöscher?

Jetzt muss dem international wachsenden Eindruck, Österreich wolle zwar das Geld seiner Urlaubsgäste, aber wenig davon für ihre Sicherheit aufwenden, entgegengetreten werden. Dem Eindruck, der größte anzunehmende Unfall sei aus allen Überlegungen ausgespart geblieben, weil die Sicherheitsvorkehrungen für den GAU entweder die Finanzkraft der Betreiber überfordern oder ein Abgleich mit den Risken gar das ehrgeizige Projekt von unter Tage geführten Standseilbahnen zum Scheitern brächte.

Einzig die lückenlose Aufklärung aller Fehlleistungen, die das Brandinferno am Kitzsteinhorn ermöglicht haben, wird dazu beitragen können, das Vertrauen in diesen hochtechnisierten Tourismuszweig Stück für Stück zurückzugewinnen. Zuvorderst verlangt dies der Respekt vor 155 Todesopfern.

 

 

18. 11. 2000

Salzburger Nachrichten

Die Tragödie brachte ein Wunder zu Tage

DER STANDPUNKT

MANFRED PERTERER

Die Opfer von Kaprun sind noch nicht identifiziert, da hat die Suche nach den Schuldigen schon eingesetzt. Die Angehörigen haben sich noch nicht von ihren Toten verabschiedet, da erheben Anwälte bereits erste Schadenersatzforderungen. Die Bewohner der kleinen Pinzgauer Wintersportgemeinde haben sich vom Schock, den die Feuerkatastrophe über sie brachte, noch nicht erholt, da denken touristische Krisenmanager bereits über Schadensbegrenzung durch eine Werbeoffensive nach.

Das mag manchen pietätlos erscheinen. Doch wann, wenn nicht jetzt, in der Stunde der größten Erschütterung, sollen diese Fragen erörtert werden? Wenn sich die Betroffenheit gelegt hat? Wenn die nächste Tragödie unsere Gedanken an die Verbrannten aus dem "Gletscherdrachen" verwischt haben wird? Nein, die kriminalistische, schadensrechtliche und wirtschaftliche Auseinandersetzung mit dem Inferno muss hier und heute erfolgen. Solange der Schrecken noch tief sitzt, ist die Chance auf Genugtuung am größten. Mehr kann die lü-ckenlose Aufklärung ohnehin nicht bieten. Trost und Hilfe ist von advokatischen oder kriminaltechnischen Meisterleistungen nicht zu erwarten. Die werden dort gespendet, wo das Herz zu Hause ist.

Wer geglaubt hat, dass es so etwas in unserer egoistischen Ellbogengesellschaft längst nicht mehr gibt, wurde dieser Tage eines Besseren belehrt. Die Tragödie hat ein Wunder zu Tage gebracht. Mitten unter uns leben Menschen, die bereit sind, sich bis an die Grenzen des Möglichen für andere einzusetzen. Das ist die gute Botschaft aus Kaprun.

 

Besonders über freiwillige Helfer wird gerne gewitzelt. Man unterstellt ihnen Gschaftlhuberei oder dichtet ihnen ein kleines Helfersyndrom an. Vielleicht mag in dem einen oder anderen Fall sogar ein Körnchen Wahrheit mitschwingen. Wer diese Menschen aber einmal benötigt hat, der denkt anders über sie. Um nichts leichter haben es die professionellen Krisenbewältiger. Es sei eben ihr Job, zu retten, zu helfen, zu betreuen, zu ermitteln, heißt es. Doch ist es wirklich nur ein "Job", Tag und Nacht praktisch ununterbrochen in Lebensgefahr nach Überlebenden zu suchen, fürchterlich entstellte Leichen zu bergen, mit den Angehörigen mitzuweinen, ein würdiges Abschiednehmen zu gewährleisten, soweit dies unter den gegebenen Umständen überhaupt möglich ist? Tun Leute nur "ihren Job", wenn sie nahe am persönlichen Zusammenbruch und bereits schwer gezeichnet unermüdlich nach Aufklärung suchen?

Dieser fast übermenschliche Einsatz ist in keinem Kollektivvertrag vorgesehen, keine Überstundenregelung kann ihm jemals Rechnung tragen. Die Frauen und Männer von Kaprun beschämen uns mit ihrer vorbehaltlosen Hilfsbereitschaft und führen uns unsere eigene Unzulänglichkeit drastisch vor Augen.

 

18. 11. 2000

Salzburger Nachrichten

Der Tunnel wird bewacht

Der Unglückstunnel von Kaprun ist verrie-
gelt und wird bewacht. Ergebnisse der
Kriminaltechnik lassen noch keine Schlüs-
se zu. Ministerin ruft Experten.

SALZBURG, WIEN (SN-gs, gö, via).

Die von der neuen Verkehrsministerin Monika Forstinger (FPÖ) angekündigte Expertengruppe, die die Sicherheit bei ähnlichen Seilbahn-Anlagen wie in Kaprun untersuchen soll, könne in spätestens zwei Wochen ihre Arbeit aufnehmen. Die Kommission umfasst laut Forstinger sechs Experten. Zwei kommen aus der Schweiz, je einer aus Italien, Frankreich, Bayern und Österreich. Forstinger sprach sich am Freitag im SN-Gespräch gegen eine überstürzte Anlassgesetzgebung nach der Tragödie von Kaprun aus. Jetzt würden "ohne Pardon" alle vergleichbaren Anlagen geprüft, versicherte Forstinger. Sie wehrte sich gegen den Vorwurf, die Anlage-Betreiber seien de facto ihre eigenen Kontrollore. Die Betreiber machten gewissenhafte Kontrollen "schon zum Selbstschutz".

Seit Freitag werde der Unglückstunnel "bis auf weiteres bewacht", erklärte Harald Hofmann vom Landesgendarmeriekommando. Gendarmen seien bei der Einfahrt, in der Bergstation und beim Zugangsstollen zur Mittelstation Breitriesen postiert. Der Bahn-Tunnel wurde verriegelt. Das Sperrgebiet im Bereich der Talstation und der Standseilbahn bleibt nach Abschluss von Bergung und Spurensicherung vorerst aufrecht. Zu Wochenbeginn waren mehrere ausländische Journalisten angehalten worden.

Auch im Sog von Angehörigen habe sich ein Medienvertreter ins Sperrgebiet schleichen wollen. Über die Unglücksursache herrscht eine Woche nach dem größten Unglück der Zweiten Republik weiter Rätselraten. Als der "Gletscherdrachen" am vergangenen Samstag kurz nach 9 Uhr früh bei der Bergfahrt in Brand geriet und im Tunnel stoppte, starben 155 Menschen, 18 überlebten verletzt. Wie berichtet, nehmen die Ermittler an, ein technischer Defekt habe einen Brand ausgelöst, der möglicherweise durch Hydraulik-Öl aus den Bremsschläuchen angefacht wurde. Analysen der Kriminaltechnischen Zentralstelle (KTZ) Wien brachten zunächst keine näheren Aufschlüsse. Auf den Schienen im Freien waren zwei Substanzen entdeckt worden. Darunter ein Schmiermittel, das für Radlager und Seilrollen verwendet worden sei, sagte KTZ-Chef Volker Edlinger. Ein roter Kunststoff werde noch untersucht, hieß es Freitag Abend. Die Ermittler in Salzburg reagierten auf das Vorpreschen des KTZ-Chefs verärgert. Es werde "in Absprache mit der Justiz in Salzburg" entschieden, welche Ergebnisse veröffentlicht würden.

Es gebe durchaus Möglichkeiten für Hinterbliebene, in Österreich zu Schadenersatz zu kommen, erklärte der Salzburger Anwalt Jürgen Hinterwirth. Die Höchstgrenze nach der "Erfolgs- und Gefährdungshaftung" liegt im Einzelfall bei 4 Mill. S. Kommt ein Verschulden hinzu, sei eine unbeschränkte Haftung anzunehmen. Für Schmerzensgeld gebe es fixe Sätze, Ansprüche seien vererbbar. Bei Unterhalt setze er auf außergerichtliche Verhandlungen. Hinterwirth vertritt zwölf Überlebende des Tauerntunnel-Unglücks, Klagen wurden noch nicht eingebracht. Betroffene sollten sich "an kompetente heimische Anwälte wenden."

Vertrauen in die Technik ist erschüttert

Umfrage: Massen-Events ziehen Unglücke an - Werbestopp nicht sinnvoll

KLAGENFURT (SN, APA).

Eine Katastrophe wie jene vom vergangenen Samstag am Kitzsteinhorn kann sich nach überwiegender Auffassung der Österreicher jederzeit wiederholen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Kärntner Humaninstitutes. 72 Prozent der Befragten äußerten diese Meinung auf die Frage, ob das Unglück von Kaprun ein Beispiel für unabwendbares Schicksal sei. 62 Prozent erklärten, die Bediensteten der Gletscherbahn seien großem Stress ausgesetzt worden, für 51 Prozent wurde "das Schicksal herausgefordert".

Das Humaninstitut hat unmittelbar nach der Katastrophe (13. bis 16. November) 350 nach dem Quotaverfahren ausgewählte Personen befragt, wobei bei allen fünf Fragen eine Mehrfachzuordnung möglich war. Für Institutsleiter Franz Witzeling ist "Ballermann am Berg" mitverantwortlich, dass sich derartige Katastrophen ereignen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das Drama am Berg Isel im vergangenen Winter. 66 Prozent der Befragten erklärten auch, dass Massenevents derartige Unglücke anziehen.

Der Glaube an die Machbarkeit sei nach dem Unglück "schwer angeschlagen", sagte Witzeling. Auf die Frage, ob das Unglück am Kitzsteinhorn den Glauben an die Sicherheit der Technik erschüttert hat, hätten 64 Prozent erklärt, das "absolute" Vertrauen in die Technik verloren zu haben. 59 Prozent hätten gesagt, es zeige sich, dass in Extremsituationen die Experten hilflos sind und für 47 Prozent täte mehr ökologisches Denken den Technikern gut.

Der Verzicht auf Werbung als "sinnvolle Geste den Hinterbliebenen der Opfer gegenüber" wird von den Befragten bezweifelt. 59 Prozent sagten, dass ein Werbestopp den Betroffenen nicht helfe und daher kein sinnvolles Zeichen für Pietät sei.

Aus für die Unglücksbahn

Die Standseilbahn

zum Kitzsteinhorn (3029 m), in der vor einer Woche 155 Menschen starben, geht nicht mehr in Betrieb. Davon ist der Fachgruppenvorsteher der österreichischen Seilbahnwirtschaft, Ingo Karl, fest überzeugt.

Am Rande einer Seilbahntagung, die von Dornbirn nach Zell am See verlegt wurde, "um die Solidarität mit den Kollegen in der Europa Sportregion zu dokumentieren" sagte Karl: "Wäre ich in Kaprun Geschäftsführer, würde ich umgehend mit der Planung für einen oberirdischen Zubringer zum Kitzsteinhorn beginnen." Er wisse, so Karl, dass es in der Führungsetage der Gletscherbahnen Kaprun AG auch solche Überlegungen gebe. "Die Bahn soll nur mehr für Materialtransporte eingesetzt, vermutlich aber geschlossen werden."

Den Skifahrern

sei es aus psychologischen Gründen nicht zumutbar, durch einen Stollen zu fahren, in dem sich das größte Unglück in der Geschichte des österreichischen Wintersports ereignet habe. Werblich wäre die Benützung des Unglücksstollens nicht vermittelbar. Auch wenn man noch soviel Geld in hochmoderne Sicherheitstechnik investiere.

Für die Schienenbahn

zum "Kitz" wurde Anfang der 70er Jahre eine fast vier Kilometer lange Brücken- und Tunneltrasse gebaut. Die Bahn galt als absolute technische Novität. Sie vermochte im Pendelbetrieb mit zwei Wagen 10 Meter/Sekunde zurückzulegen. Bei der Lieferung durch Elin galten die zwei 1500 PS-Motoren als stärkste Seilbahnantriebsmaschinen der Welt.

Trotz des Unglücks

sei es ihm "ein Bedürfnis, darauf hinzuweisen, dass Seilbahnen zu den sichersten Massenverkehrsmitteln überhaupt zählen," sagte Karl. Der letzte Seilbahnunfall, bei dem es in Österreich ein Todesopfer zu beklagen gab, hätte sich 1993 im Pitztal bei einem Zusammenstoß zweier Gondeln ereignet.

heba

Es gab keinen behördlichen Alarmplan

KAPRUN (SN-heba). Für die Anlagen der Gletscherbahnen Kaprun existiert kein behördlicher Alarmplan, in den die Rettungskräfte und Feuerwehren der umliegenden Orte eingebunden sind. Das ist vom Gesetzgeber auch nicht vorgesehen. Zuständig für die Bewilligung, die Überprüfung und Überwachung aller Standseilbahnen in Österreich ist das Infrastrukturministerium. Als Einsatzleiter für Berge- und Rettungsmaßnahmen fungiert zunächst der jeweilige Betriebsleiter. Alarmpläne im Sinne des Katastrophenhilfegesetzes existieren - im Gegensatz zu Straßentunnels - nicht, da keine Zuständigkeit des Landes vorliegt.

 

Tausende nahmen Abschied von den Toten

Sechs Tage nach dem Unglück von Kaprun haben sich zum Gedenken an die Toten Tausende Menschen im Salzburger Dom eingefunden.


SALZBURG (SN-sab, stl). Freitag, zehn Uhr früh, in Salzburg-Stadt. Auf dem Residenzplatz parken gerade Reisebusse ein. Sie bringen Bergretter, Gendarmen, Politiker, Retter, Soldaten des Bundesheeres und auch Angehörige, Bekannte und Freunde der 155 Menschen, die Samstag, vor sechs Tagen, in Kaprun ums Leben kamen, zum Trauergottesdienst in den Salzburger Dom. "Was ist denn da los?" fragt ein Passant. Und er ist nicht der Einzige, der gar nicht weiß, dass eine Stunde später die Republik Österreich und das Land Salzburg gemeinsam mit 700 geladenen Gästen der Toten von Kaprun gedenken.

Ein Radfahrer, dem der Weg zum Postamt der Stadt versperrt bleibt, will den Umweg auch dann nicht fahren, als ihm ein Polizist erklärt, was in Kaprun geschehen ist. Neben ihn tritt nun die Frau, die nur wegen der Prominenten kam und sich ganz nahe an das rotweiß-rote Sperrgitter drängt. "Ich will schon etwas sehen", sagt sie.

Andere wollen das nicht. Sie haben Tränen in den Augen und suchen in erster Linie Trost. Mit weißen Rosen in den Händen und Fotos von Verstorbenen sind sie gekommen. Manche müssen gestützt werden, andere umarmen einander. "Es ist einfach schiach", sagt eine Frau. Von jener Bretter-Bühne herab, die genau wie die grünen Hütterln schon für den Salzburger Christkindlmarkt auf dem Domplatz aufgestellt ist, richten sich die Kameras von etlichen in- und ausländischen Fernsehteams und von Fotografen auf die Trauernden und auf die anderen. Trotz dieser Belagerung artet die vielleicht schicksalsschwerste Sakralfeier Salzburgs der vergangenen Jahrzehnte nicht in ein unwürdiges Medienspektakel aus.

Weinende vor dem TV-Wagen

Auch auf der Orgelempore der Vierung im Dom hatten Fotografen ihre Apparate aufgebaut und richteten die Linsen auf den nicht enden wollenden Zug der Trauernden. Punkt elf Uhr war es dann so weit.

Da hatten auch schon die Abordnungen der Stadt Wels, der Gemeinde Kaprun, der Japanischen und Slowenischen Botschaft und auch viele Bürgermeister und andere Politiker des Landes im durch Scheinwerfer taghell erleuchteten Gotteshaus Platz genommen. Werke von Bach, Mendelssohn und Schubert werden intoniert werden.

Draußen vor dem Dom ist es indessen ganz still. Der Platz ist leer, und zu regnen hat es auch aufgehört. Die Leinwand, die eigentlich für die Übertragung des Gottesdienstes in das Freie gedacht gewesen wäre, "die gibt es leider nicht", meint ein Ordnungshüter.

Er verweist Niegierige auf die Wagen der Fernsehteams aus Deutschland und aus der Schweiz. Auf den Bildschirmen drinnen läuft die Live-Übertragung des ORF. Da sehen jene zu, die nicht zu dem Trauergottesdienst in den Dom gehen wollten. "Aus Gründen der Pietät, den Angehörigen gegenüber, will ich das nicht", sagt eine Frau. Den Gottesdienst feierte Erzbischof Georg Eder in Konzelebration mit Bischöfen und Pfarrern betroffener Diözesen und Gemeinden, ein kleiner ökumenischer Akzent war ein der Messe vorgelagerter Impuls mit Kardinal Christoph Schönborn und dem evangelischen Landesbischof Herwig Sturm. Worte der Trauer und des Mitgefühls mit den Angehörigen sprachen nach der Messe Bundespräsident Thomas Klestil und Landeshauptmann Franz Schausberger (siehe Seite 3 im Großformat).

Der allgemeine Wunsch nach einem ökumenischen Gottesdienst wurde von Erzbischof Eder abgelehnt. Evangelische Christen, die ebenso ihre Toten betrauern, fühlten sich damit brüskiert. Verstohlen trat eine Frau zur Kommunion und verteilte danach Hostienstücke an ihre evangelischen Glaubensgeschwister.

Eine große Gruppe in der Trauergemeinde bildeten 140 Gehörlose aus Österreich und Deutschland. Sie trauern um vier Mitglieder aus ihren Reihen, die ein Training um eine Woche verschoben hatten und so in die Todesbahn gerieten. Drei Dolmetscher übersetzten die gesprochenen Worte in die Gebärdensprache.

Würdevoll die musikalische Gestaltung durch die Salzburger Dommusik (Leitung: Domkapellmeister Janos Czifra), den Chor des Bundesrealgymnasiums Zaunergasse und der Juvavum Brass (Orgel: Domorganist Gerhard Zukriegel). Zum Abschluss der Messe spielte die Trachtenmusikkapelle Kaprun. Sie verlor keinen aus ihren Reihen. Kapellmeister Fred Buchner trauert um seinen Schwager.

Im Kirchenschiff fand sich zahlreiche Jugend ein. Schülerinnen und Schüler des BORG Akademiestraße hielten Grablichter in Händen.

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