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4. November 2001
Sonntag jährt sich das Seilbahnunglück BILD am SONNTAG liegt das 129 Seiten umfassende Gerichtsgutachten vor, in dem der deutsche Sachverständige Klaus Hellmich den ganzen Umfang der Versäumnisse und Schlampereien protokolliert, durch die die Katastrophe geradezu programmiert war. Der Brand des Heizlüfters allein, so die wichtigste Erkenntnis aus der Skandal- |
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Der Heizlüfter des Typs Fakir war laut Gerätebeschreibung ausdrücklich nicht für den Einbau in Fahrzeugen zugelassen. In der Unglücksbahn war der Fakir unmittelbar neben Die Kabinenfenster der "Kitzsteingams" bestanden aus einer extrem bruchsicheren Polyacryl-Doppelverglasung und waren, wie spätere Versuche zeigten, selbst unter Idealbedingungen nur mit großem Kraft- und Zeitaufwand zu durchschlagen. Laut Allgemeiner Bauartgenehmigung (ABG Nr. D80) dürfen diese Scheiben nur in Fahrzeuge eingebaut werden, "in denen der Aufenthalt von Personen während des Fahrbetriebes nicht zulässig ist". |
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Rettungshämmer oder andere Hilfsmittel gab es nicht. Im vorderen Kabinenbereich waren die Fenster sogar vergittert.
Die Kabinentüren waren – entgegen allen Standards im Personentransport – von innen überhaupt nicht zu öffnen. Selbst der Zugbegleiter konnte beim Nothalt die Türen erst nach einer Zeit raubenden Prozedur öffnen, bei der er zuerst einen in einem Schränkchen eingeschlossenen Sicherheitsschalter umlegen und dann eine Reihe von Knöpfen drücken musste. Die meisten Opfer von Kaprun starben nicht an Verbrennungen – sie erstickten, weil sie zu spät oder gar nicht aus der Bahn kamen.
Die Führerkanzel wurde nicht aus schwer entzündlichem Aluminium hergestellt, wie ursprünglich geplant, sondern aus GFK. Dieser Kunststoff fing bei der Katastrophe Feuer und entwickelte dabei so giftige Gase, dass auch in der 1,6 Kilometer entfernten, entgegenkommenden Bahn und in der 2,7 Kilometer entfernten Bergstation je zwei Menschen daran starben.
Einen Feuerlöscher gab es nur im Führerhaus. Fahrgäste hätten den Brand am hinteren Bahnende möglicherweise rechtzeitig ersticken können – als der Zugbegleiter das Feuer bemerkte, war es dafür zu spät. Es gab auch keine Notrufanlagen in der Fahrgastkabine.
Der einzige Rettungsweg aus dem Tunnel – eine 60 Zentimeter schmale Eisentreppe – war weder ausgeschildert noch beleuchtet und überdies zu schmal für die schnelle Evakuierung von 160 Menschen.
Trotz dieser skandalösen Mängelliste wurde die Bahn von der Seilbahnbehörde abgenommen, feuerpolizeiliche Maßnahmen wurden nicht vorgeschrieben. Gutachter Hellmich zu BamS: "Man ist schlicht davon ausgegangen: Eine Seilbahn brennt nicht." Ein fataler Irrtum.
Der Münchner Rechtsanwalt Michael Witti vertritt die Hinterbliebenen von 14 Kaprun-Opfern. Er rechnet mit Entschädigungszahlungen von etwa drei Millionen Mark pro Opfer, also fast eine halbe Milliarde Mark für alle 155 Toten in Kaprun. "Hauptschuldige der Seilbahnkatastrophe ist die Bundesrepublik Österreich. Sie ist nicht nur über eine Tochtergesellschaft die größte Anteilseignerin der Gletscherbahnen AG, sie trifft auch eine Schuld durch Unterlassung, weil sie keinerlei Brandschutzvorschriften für den Betrieb der Bahn machte." Witti äußerte gegenüber BamS sogar den Verdacht, dass das Strafverfahren zur Katastrophe von Kaprun bewusst verschleppt wird: "Vor der Wintersaison soll die Tatsache verschwiegen werden, dass auch für die anderen österreichischen Seilbahnen keine ausreichenden Brandschutzvorschriften existieren. Als Skiurlauber wäre ich in größter Sorge."
Die Gutachter Klaus Hellmich (links) und Anton Muhr forschten in den Überresten der Unglücksbahn nach Ursachen der Brandkatastrophe – und waren schockiert von den zahlreichen Sicherheitsmängeln |
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Beim Brand der Gletscherbahn von Kaprun verkohlten die Bahn und die Menschen darin bis zur Unkenntlichkeit. Am 12. November 2000 zeigt die BILD am SONNTAG das erste Foto des Unglückstunnels. Die vorläufige Opferzahl wird später nur wenig nach unten korrigiert: 155 Menschen starben beim schlimmsten Unglück in Österreichs Nachkriegsgeschichte |
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salzburg.orf.at
4. November 2001
"21 Millionen Schilling Schadenersatz pro Opfer"
Der Anwalt Michael Witti rechnet mit 21 Mio. S (1,53 Mio. Euro) Schadenersatz für jedes Opfer der Brandkatastrophe in Kaprun. Insgesamt geht er von 3,5 Mrd. S (254 Mio. Euro) aus. Als Hauptschuldigen des Unglücks sieht Witti die Republik Österreich.
Republik Anteilseigner
Die Republik halte über eine Tochtergesellschaft die Mehrheit an den Kapruner Gletscherbahnen, sagt der Münchner Partner von Ed Fagan im Gespräch mit der "Bild am Sonntag". Außerdem sei sie für die mangelnden Brandschutzvorschriften für die Standseilbahn verantwortlich.
Witti vertritt die Angehörigen von 14 der insgesamt 155 Opfer der Brandkatastrophe. Er rechnet damit, dass den Angehörigen vor Gericht insgesamt rund 3,5 Mrd. S (254 Mio. Euro) zugesprochen werden.
"Österreich verzögert Verfahren"
Reaktionen:
Milliarden Schadenersatz ???
Zufall?
@acidy 3
bist deppert, oder was?
an beebreblox !
Iss ja vollkommen in Ordnung, dass die Hinterbliebenen eine Entschädigung erhalten
wert eines lebens
mtischlinger, vor 5h 52min
Lieber Momo, und alle anderen, die finden, Schadenersatz und Schmerzensgeld sind unangebracht: Lest §§ 1295 ff ABGB (unsere nettes Bürgerliches Gesetzbuch). Da steht das alles drinnen, was Ihr hier anscheinend so anstößig findet. Man kriegt nicht einfach so viel Kohle, wie man Lust hat. Das entscheidet im Prozeß ein Richter. Und zwar nicht nach Bauchgefühl, sondern nach den Gesetzen.
>mitschlinger!
wipptaler, vor 5h 0min
Danke für diese treffende Aussage. Ich wundere mich auch über die allgemeine Erregung ehe noch ein Urteil gesprochen wurde. Kritik ist frühestens dann angebracht, wenn man mit einem Spruch begründeter Weise nicht einverstanden ist.
Es geht um die Höhe
claviclack, vor 1h 57min
1. Ist die Schadenersatzsumme nicht in Gesetzen festgelegt, sondern -soviel ich weiß- abhängig von der "Spruchpraxis", und die ist variabel.
2. Finde ist es absolut pervers, wenn Angehörige auf Kosten ihres Verstobenen bis zu Lebensende in einem Club auf Mallorca verbringen können, auf Kosten der Republik und aller Steuerzahler. Schon Forderungen in dieser Höhe sind absolut amoralisch. Schmerzensgeld, o.k., aber wir wollen doch nicht übertreiben. Überall verunglücken Angehörige.