Salzburger Nachrichten |
Ein Jahr nach der Tunnelkatastrophe vom 11. November 2000 gibt es viele offene Fragen, offene Wunden, offene Rechnungen und offene Gräben.
Hinterbliebene bauten Internet-Plattform auf
Am 11. Mai 2001, ein halbes Jahr nach dem Unglück, stellten Hinterbliebene aus Wien an der Straße Richtung Gletscherbahn 155 Holzkreuze auf, verwehrten sich gegen eine 'Entmündigung durch die GBK' und forderten den Rücktritt der Gletscherbahn-Direktoren Prä-auer und Müller.
Um den Hinterbliebenen eine gemeinsame Plattform zum Meinungsaustausch zu bieten, wurde von der 'Wiener Gruppe' eine eigene Homepage im Internet eingerichtet (www.kapruntunnelkatastrophe.at). Jeden Mittwoch ab 21 Uhr gibt es die Möglichkeit eines Chats für Betroffene. Opferangehö-rige aus Wien initiierten auch jene Gedenkwanderung, die am kommenden Sonntag, dem ersten Jahrestag, stattfindet. Der Plan des Landes, in der Salzburger Residenz 'ohne jedwede Abstimmung oder Rückfrage bei den Angehörigen ein offizielles Gedenken zu inszenieren', wurde massiv abgelehnt und nach Boykottdrohungen abgesagt. Das Gedenken der Salzburger Landesregierung wurde auf das Requiem von Mozart am Samstag, 10. November 2001 (18.30 Uhr), in der Stiftskirche St. Peter reduziert.
KAPRUN (SN-heba). Der erste Jahrestag der Seilbahnkatastrophe von Kaprun wird im Zusammenwirken der Angehörigen und der Gemeinde organisiert. Die Gestaltung der Trauerfeier übernehmen Hinterbliebene. Die Gemeinde sorgt für entsprechende Rahmenbedingungen. 100 freiwillige Helfer aus Kaprun sind in die Organisation mit eingebunden.
Da abermals ein großer medialer Andrang zu erwarten ist - sogar aus Australien reisten Journalisten an - wird im 'Optimum' ein Pressezentrum eingerichtet. Die Kapruner Jugenherberge wird wieder als Angehörigenzentrum adaptiert.
Zentraler Punkt des Jahrestages ist die Gedenkwanderung vom Ortszentrum zur Talstation der Gletscherbahn (Abmarsch 7.15 Uhr) mit anschließender Gedenkstunde.
Am Nachmittag werden Opfer-Angehörige eine Pressekonferenz geben. Eine Stunde später treten Kapruns Bürgermeister Norbert Karlsböck, Pfarrer Peter Hofer und Erika Scharer (Leiterin des Angehörigenzentrums) gesondert vor die Presse.
Die freiwilligen Mitarbeiter sind angehalten keine Interviews zu geben. Sie können sich nur über die persönliche Befindlichkeit und die Stimmung im Ort äußern. Sie dürfen weder zum Thema Gletscherbahn noch zu Schulfragen Stellung beziehen. 'Es geht hier um ein schwebendes Verfahren. Widersprüchliche Aussagen sind kontraproduktiv. Interviewünsche können bei der Infostelle im Pressezentrum deponiert werden. Wir leiten sie an den Sprecher der Gletscherbahnen, Harald Schiffl, weiter', erklärte Erika Scharer den SN.
Die Gedenkstätte im Bereich der Gletscherbahn-Talstation bleibt für Medienvertreter gesperrt. Ihnen wird ein eigener Sektor zugewiesen. In der Pfarrkirche werden Kamerateams und Fotografen ebenfalls keinen Zutritt haben. Gleiches gilt für das Angehörigenzentrum in der Jugendherberge.
Bürgermeister Norbert Karlsböck (SPÖ): 'Die Rechtsprechung obliegt den Gerichten. Am Gedenktag sind Spekulationen vor laufenden Kameras unangebracht. Dieser erste Gedenktag ist ein markantes Ereignis. Die Trauer steht im Vordergrund. Kaprun will den Angehörigen an diesem Tag die bestmögliche Unterstützung bieten.' Jene Opfer-Angehörigen aus Wien, die die Gedenkwanderung initiierten, teilen auf ihrer Homepage (www.kaprun-tunnelkatastrophe.at) mit: 'Grundsätzlich konnten wir klar machen, dass sich unsere Vorwürfe gegen die Gletscherbahnen Kaprun richten, nicht aber gegen die Gemeinde und die Gemeindeangehörigen, die durch die Katastrophe selbst schwer betroffen sind.' Das Gerichtsverfahren werde aufzeigen, 'wer die Verantwortung für diese größte Katastrophe in Österreich nach dem zweiten Weltkrieg zu tragen und durch das Zulassen unvorstellbarer Mängel und Schlampereien den Tod so vieler junger hoffnungsvoller Menschen verschuldet hat.' Die Trauer der Angehörigen könne dadurch 'aber nicht gelindert werden'.