salzburg.orf.at
24. September 2001

Kaprun nach dem Gutachten

In seiner Wochenanalyse beschäftigt sich Chefredakteur Hans Kutil diesmal mit dem Unglück von Kaprun nach Bekanntgabe des Gutachtens über Ursache und Ablauf der Katastrophe.

Würdeloses Schauspiel über Schuld und Unschuld

Sofort nach Bekanntwerden der Ursache des Stollenbahnunglücks in Kaprun hat ein schäbiges und würdeloses Schauspiel über "Schuld und Unschuld" eingesetzt. Unmittelbarer Brandauslöser war laut Experten ein defekter Heizlüfter als erstes Glied in einer verhängnisvollen Verkettung weiterer brandverstärkender Umstände.

Über Schuld oder Unschuld hat einzig und allein die Justiz zu befinden, die erstklassige Arbeit geleistet hat. Sie wird schon bald den Kreis von vorläufig 25 Verdächtigen einengen können. Sich selbst hinausreklamieren kann keiner.

Unfallursache offiziell geklärt

Geliefertes Produkt eigenmächtig verändert?

Schon richtig, wenn die Gletscherbahnen Kaprun betonen, sie hätten bei Swoboda eine allen Normen entsprechende Garnitur bestellt. Wenn jemand ein Auto kaufe, sei er auch nicht verpflichtet, nachzuprüfen, ob alle Systeme in Ordnung sind.

Nur: jeder kennt die Bestimmungen, die die Haftung des Lieferanten bis zum Erlöschen von Garantieansprüchen einschränken, sobald eigenmächtig das gelieferte Produkt verändert wird. Das war bei der ausgebrannten "Kitzsteingams" der Fall. Es wurden Holzverkleidungen und Dämmstoffe eingebaut, um die Zugluft in den Führerständen zu beseitigen.

Gletscherbahnen: "Wir fühlen uns nicht schuldig"

Keine Wartungsverträge abgeschlossen

Zudem haben die Gletscherbahnen darauf verzichtet, beispielsweise mit der Lieferfirma der Hydraulikanlage Wartungsverträge abzuschließen, sodaß das Risiko allfälliger Wartungsfehler auf den Betreiber übergegangen ist.

Ein ganz entscheidendes Detail, denn immerhin war es das leicht entzündliche Hydrauliköl, das durch den überhitzten Lüfter entflammt wurde. Dieses Öl kann entweder durch Ausschwitzen aus überalterten Leitungen oder aus einem undichten Anschluß in den Heizlüfter geronnen sein.

 

Gletscherbahn-Lieferant weist Vorwürfe zurück

Ringen um die Frage: "Wer ist schuld?" beginnt

Nicht auf menschlichen Gefühlen herumtrampeln

Und so gibt es noch zahlreiche unklare Punkte, wie etwa auch die Vorschrift, Sicherheitsglas zu verwenden. Verwendet wurde Plexiglas, das von einigen Passagieren angesichts blockierter Türen nur unter Aufbietung übermenschlicher Kräfte eingeschlagen werden konnte. Zwölf Passagiere entkamen dadurch dem Flammeninferno.

Die Justiz wird aufbauend auf den Gutachten weiter ermitteln lassen und dann über Anklagen entscheiden. Wer jetzt weiter über Schuld oder Unschuld diskutiert, trampelt auf den Gefühlen der Hinterbliebenen herum. Gewinnen kann er damit nichts.

Reaktionen:

Kleinliche Schuldzuweisungen

Es ist klar, dass angesichts eines Verhängnisses von dieser unbegreiflichen Tragik und Brutalität der normale kleine Menschenverstand mit Schuldzuweisungen reagiert. Mir scheinen die schwitzenden Hydraulikleitungen wichtig zu sein. Da dieses Schwitzen aber durchaus üblich ist, scheint es sich nicht um einen Wartungsfehler gehandelt zu haben.

Der Zug ist, bevor er in Betrieb gegangen ist, von den Behörden geprüft worden - mit dem Heizstrahler und der von Rexroth eingebauten Hydraulikleitung. Wenn die Leitung zu nah am Heizstrahler eigebaut wurde, stellt sich die Frage, warum der Zug durch die regelmäßigen TÜV-Überprüfungen gekommen ist. Das Gericht hat allerdings nicht festgestellt, dass die Hydraulikleitungen im ausgebrannten Zug defekt waren. Die nachträglich eingebauten Holzverkleidungen, von denen immer wieder die Rede ist, konnten mit der Brandentstehung nichts zu tun haben, weil das Holz eine sehr hohe Brandklasse (= hoher Flammpunkt) hatte.

danke, schlaumeier ...

... hoffentlich bist du kein gerichtlich beeideter Sachverständiger, sonst hätten wohl die Gerichte nichts mehr zu tun!

 

salzburg.orf.at
24. September 2001

Angehörige besuchen den Unglückstunnel
Am vergangenen Wochenende besichtigten 13 Angehörige von Opfern den Tunnel - erstmals nach der Seilbahnkatastrophe von Kaprun. Besuche von weiteren trauernden Familien und Freunden sind geplant.

Therapie als Hoffnung
Aus der Sicht von Experten unterstützen solche Besuche die dringend nötige "Trauerarbeit", um irgendwann mit schwersten seelischenen Belastung vielleicht doch fertig zu werden.

Die Angehörigen aus Deutschland und Österreich wurden von geschulten Betreuern begleitet. In den kommenden Wochen will der Schweizer Psychotherapeut Peter Fässler-Weibel weitere Menschen aus den Familien der Opfer in den Tunnel führen.

Bei der Brandkatastrophe am 11. November starben 155 Wintersportler im Tunnel des Kapruner Schrägaufzuges.

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24. September 2001

"Heizung bei Lieferung eingebaut"

Die Kapruner Gletscherbahnen spielen den Ball an den Konstrukteur der Zugsgarnitur weiter. Dieser weist Verdächtigungen zurück.

Die Führerstandsheizung, die den vorliegenden Sachverständigen-Gutachten zufolge die Katastrophe in der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn mit 155 Toten ausgelöst hat, war bei der Lieferung des Zuges bereits eingebaut. Das stellt die Gletscherbahnen Kaprun AG nun in einer Aussendung fest. Am Freitag stellte sich das Unternehmen, einen Tag nach der Präsentation der Gutachten, der internationalen Presse. Heizungseinbau von Anfang an enthalten Die Gletscherbahnen betonten, dass 1993 bei der Firma Swoboda (Laakirchen/OÖ) Standseilbahn-Züge in Auftrag gegeben wurden, in deren Leistungsvolumen von Anfang an der Einbau einer Führerstandsheizung enthalten war. "Für die gesamte Konstruktion der Züge, den Einbau und die Auswahl der Heizlüfter war die Firma Swoboda verantwortlich", so die Feststellung des Betreibers der Gletscherbahn.

"Von Sicherheitsstandards ausgegangen" Als Auftraggeber seien die Gletscherbahnen "davon ausgegangen, dass die Firma Swoboda alle Sicherheitsstandards, die ein Konstrukteur einzuhalten hat, auch erfüllt". Alle vorgesehenen Wartungen seien durch die Gletscherbahnen "ordnungsgemäß durchgeführt, alle Sicherheitsvorschriften erfüllt" worden. Spekulationen um eine angebliche "Schlamperei" wies das Unternehmen zurück.

Bahnen kündigen Schmerzensgeld an Der Anwalt der Gletscherbahnen Kaprun, Georg Karasek, sagte, dass der Betreiber der Seilbahn die auf Grund der Gefährdungshaftung des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG) auch bei Nichtverschulden vorgesehenen Zahlungen leisten werde. Neben dem Ausgleich der Sachschäden und der Befriedigung der Unterhaltsansprüche werde das Unternehmen auch Schmerzensgeld an nahe Angehörige zahlen.

Swoboda weist Vorwürfe zurück Der Rechtsanwalt der Firma Swoboda, Gerhard Haslbauer, hat die gegen das Unternehmen erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. "Es war eine unvorhersehbare Kettenreaktion, die zur Katastrophe führte", sagte Haslbauer. Für den Firmenanwalt ist die Hydraulikleitung der Hauptverursacher des Brandes. Es sei sehr wahrscheinlich, dass Öl aus der Hydraulikleitung herausgeflossen und es so zum Feuer gekommen sei, meinte Haslbauer. Ein defekter Propeller eines Heizstrahlers allein führe nicht zum Brand. Der Anwalt wies auch darauf hin, dass erst nachträglich Einbauten - wie die Holzverkleidung und die Mineralwolle, die von Öl durchtränkt waren - vorgenommen worden seien.

Heizlüfter nicht für Bahn zugelassen

Hydrauliköl tropfte auf einen überhitzten Heizkörper, der nicht für die Bahn zugelassen war. Die Ursachenkette in der Kaprun-Tragödie.Ein defekter Heizlüfter hat die Brandkatastrophe von Kaprun im letzten November mit 155 Toten ausgelöst. Salzburgs Landesgerichtspräsident Walter Grafinger präsentierte am Donnerstag in Salzburg den zusammenfassenden Bericht der Gutachter zur Kaprun-Tragödie.

Heizlüfter nicht zum Einbau zugelassen Der Heizlüfter, der zur Katastrophe führte, war laut Grafinger weder für den Einbau noch den Betrieb in Fahrzeugen zugelassen.Den Gutachten zufolge wurde ein Ventilator, der das Gerät kühlt, aus unbekannter Ursache gebremst oder blockiert. Dadurch erhitzte sich eine Glühwendel. Undichte Leitung Durch undichte Stellen in einer Leitung war über geraume Zeit Hydrauliköl in das Innere des Heizlüfters eingedrungen. Zudem waren sowohl die Holzvertäfelung als auch die Dämmwolle mit dem Öl in Berührung gekommen, das seinen Flammpunkt schon bei 100 Grad Celsius hat.

Entzündung schon im Tal Noch während die Bahn in der Talstation stand und an der Stromversorgung hing, kam es zur Entzündung. Dieser Hergang decke sich auch mit den Aussagen eines Zeugen, der von außen kleine Rauchwolke aufsteigen gesehen hatte.

Gletscherbahn Kaprun: Strahler von Anfang an eingebaut Die Gletscherbahnen Kaprun AG "nehmen zur Kenntnis, dass es ein defekter Heizstrahler war, der in der Ausschreibung an die Firma Swoboda enthalten und auch von Anfang an eingebaut war". Das erklärte Unternehmenssprecher Harald Schiffl am Rande der Pressekonferenz. "Der Zug ist so, wie er auf den Schienen stand, geliefert worden." Schiffl betonte, dass kein Mitarbeiter der Gletscherbahnen den Heizstrahler eingebaut habe, sondern diese Führerstandsheizung vom Beginn an in der Ausschreibung an die Firma Swoboda enthalten war.

Kritik: Noch kein Gutachten erhalten Im Übrigen erneuerte der Unternehmenssprecher seine Kritik daran, dass die Gletscherbahnen die Gutachten vom Gericht noch nicht erhalten haben. "Es gibt keinen Grund, die Untersuchungsberichte zurückzuhalten." Sobald das Unternehmen im Besitz der Gutachten sei, würden die Unterlagen genau gelesen und studiert, dann werde eine umfangreiche Stellungnahme herausgegeben. Was die Frage der Strafverfolgungen angeht, so hoffen die Gletscherbahnen, "dass das Gericht schnell entscheidet".

 

Gletscherbahn-Lieferant weist Vorwürfe zurück Die Firma Swoboda, die in die Garnituren der Kapruner Gletscherbahn die Heizlüfter eingebaut hat, weist alle Schuldvorwürfe zurück. Die überhitzten Lüfter haben nach dem Sachverständigen-Gutachten den Brand ausgelöst. update Freitag, 07.09.01 17:31 MET

Firma Swoboda hat Heizstrahler geliefert Die Gletscherbahnen Kaprun AG haben der Firma Swoboda den Schwarzen Peter zugespielt. Sie seien erleichtert, dass der Heizstrahler vom Lieferanten eingebaut worden sei, sagte ein Sprecher der Bahnen. Dieser Lieferant ist die Firma Swoboda. Für Gerhard Haslbauer, Rechtsanwalt der Firma, ist aber klar: "Es war eine unvorhersehbare Kettenreaktion, die zur Katastrophe führte." Für den Firmenanwalt ist die Hydraulikleitung der Hauptverursacher des Brandes.

 

Mineralwolle und Holz erst nachträglich eingebaut Es sei sehr wahrscheinlich, dass Öl aus der Hydraulikleitung herausgeflossen und es so zum Feuer gekommen sei, meinte Haslbauer. Ein defekter Propeller eines Heizstrahlers allein führe dagegen nicht zum Brand, betonte der Anwalt. Er wies auch darauf hin, dass Einbauten wie die Holzverkleidung und die Mineralwolle erst nachträglich vorgenommen worden seien. Gerade die Wolle soll von dem Öl durchtränkt worden sein.

"Hydraulikleitung nicht von Swoboda montiert" Doch diese Leitung wurde nicht von der Firma Swoboda montiert, betont die Firma in einer Aussendung: "Sie wurden erst später bei der Anlage in Kaprun weder von der Firma Swoboda selbst noch von einem beauftragten Subunternehmen montiert." Das haben die Kapruner Gletscherbahnen bestätigt. Mannesmann-Rexroth habe die Leitungen montiert, sagte Unternehmenssprecher Harald Schiffl. Zur Feststellung der Gutachter, dass der eingebaute Heizlüfter nicht für den Einbau in Fahrzeuge geeignet war, sagt das Unternehmen, dass ihm "eine entsprechende Betriebsanleitung nicht bekannt war". Nach derzeitigem Wissensstand sei eine derartige Betriebsanleitung auch im gerichtlichen Gutachten nicht enthalten.

 

Ringen um die Frage: "Wer ist schuld?" beginnt
Nach der Präsentation des Abschlussberichts über die Brandkatastrophe von Kaprun beginnt jetzt die Arbeit der Justiz. Die entscheidende Frage, die jetzt geklärt werden muss, ist, wer die Verantwortung für das Unglück trägt.


Kreis der verdächtigen Personen eingeschränkt
Seit gestern steht ja fest, dass ein defekter Heizstrahler in der Führerkabine des Gletscherdrachens das Unglück ausgelöst hat. Am Donnerstag wollten sich weder Landesgerichts-Präsident Walter Grafiner noch der leitende Staatsanwalt Friedrich Ginthör auf Spekulationen einlassen. Der Kreis der Verdächtigen Personen ist nun auf 25 eingeschränkt, sagt Ginthör: "Naturgemäß scheiden allerdings Firmen aus, welche Konstruktionsteile geliefert haben, die nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehen. Aber alle anderen Verantwortungs-Ebenen wie Betrieb, Lieferant, oder die überprüfende Behörde werden wir selbstverständlich durchleuchten."

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